Montag, 28. September 2015

Vom Biberrevier bis auf den breiten Strom

Der Morgen dämmert mit einem fantastischen Naturspektakel, als das Zusammentreffen von "Supermond" und totaler Mondfinsternis unseren Erdtrabanten zum "Blutmond" werden lässt.



Auch der ganze Tag begeistert mit einem bunten Farbfeuerwerk, bis der Mond das nächste Mal aufgeht. Beim Kanu-Transport zum Flüsschen Tannbäcken schreiten wir durch einen leuchtend, goldenen Tunnel.


Der breite, vom nahen Kraftwerkdamm im Umeälven beeinflusste Teil des Tannbäcken liegt da wie ein makelloser Spiegel.


Das Blau des Himmels, das Gelb-Rot des Herbstlaubes, das leuchtende Weiss der Birkenstämme - alles gibt es heute doppelt und in strahlendsten Farben. Dazu fast absolute Stille. Wir wagen kaum die Paddel einzutauchen. Der Fluss lehrt uns Langsamkeit.


Die Garmin-Uhren laufen aus Interesse an der Streckenlänge - doch wir wollen uns nur im Entdecker-Tempo vorwärts bewegen. 
Ein Wegweiser mitten im Schilfgras? Hier quert der Winterweg für Schneemobile den Fluss.


Ein bisschen versteckt im Halbschatten mündet der schmale, noch ursprüngliche obere Lauf des Tannbäcken in den aufgestauten, hier kreisrunden, teichartigen Abschnitt. Ein weiterer Wintertrail quert das Gewässer.



Kaum hörbar gluckern kleine Zuflüsse aus den dicht mit Sumpfgras bewachsenen Ufern, leise plätschernd bricht die Wasseroberfläche am Bug. Manchmal warnt eine Elster oder zwitschert ein Fink, und ein Haselhuhn-Paar flieht mit surrendem Flügelschlag. 





Wir paddeln, bis wir nicht mehr weiterkommen. Kleine "Stromschnellen" und quer über den Fluss liegende Bäume versperren den Weg. Im Biberrevier, taugt unsere Anlegestelle wohl kaum.


Auf dem Rückenweg nehmen wir das Picknick hervor, lassen uns treiben und richten nur ab und zu den Bug wieder gerade in Fahrtrichtung aus. Die Sonne brennt im Gesicht und die Zeit scheint stehen zu bleiben.




Plötzlich durchbricht mittlerweile unverkennbares Brummen die Stille, kurz darauf heult der Motor des gelandeten Regionalflugzeuges beim Bremsen auf. Unglaublich, diese faszinierende Wildnis-Landschaft liegt nur zwei Kilometer vom Flughafen entfernt. Und bei den Gehölzen der Region handelt es sich meist um Nutzwald. Die Natur hat trotz Infrastruktur und menschlichem Eingreifen hier enorm viel Platz.



Nach einem kurzen Stopp beim kleinen Anleger - wo auf dem Örtchen für lustige Unterhaltung gesorgt ist (Dassbok = Plumpsklobuch) - kann unsere Fahrt auf flussabwärts weiter gehen ...




... bis zur Mündung des Tannbäcken in den Umeälven, dessen Wasser heute ganz friedlich ist. 



Nach der Umrundung der sandigen Halbinsel Tannudde sind in der Ferne die wenigen mehrstöckigen Häuser von Lycksele zu sehen.


Im Gegensatz zu den ersten kurzen Touren haben wir nun ein Gespür für das neue Gefährt entwickelt. Anfangs paddelten wir verkrampft und mit zu viel Krafteinsatz. Doch nun gelingen mit mehr Gefühl und Gelassenheit enge Kurven - wie um die felsige Untiefe fast mitten im Fluss. Und die Strömung, die das Kanu beim Einfahren in die kreisrunde "Heimat"-Bucht jeweils erfasst, bringt uns nicht mehr aus der Ruhe. 


Ein kleiner Endspurt noch - 6.7 km/h zeigt die Uhr an - eine Zahl die wir nicht einzuordenen wissen und zum Glück auch nicht müssen. Es tut gut planlos und ohne Kontrollblick auf Pacewerte unterwegs zu sein ...

Die Regeneration geht langsamer voran, als erhofft, aber lockeres Bewegen tut gut, und die atemberaubende Natur lässt die mühsamen Rücken- und Fuss-Beschwerden vergessen.
Bei einem weiteren Ausflug zum Bärenberg gilt die ganze Aufmerksamkeit den Beeren und dem farbenfrohen Sonnenuntergang.





11.4 km Kanu 3.6 km/h
+/- 0 hm, 11-15° schön, sanfter N-Wind
Track https://connect.garmin.com/modern/activity/912536413

Sonntag, 27. September 2015

Neuland "erobern" - Neues lernen

Freitag, 25. September
Trotz Laufpause sind wir hier in Lappland den ganzen Tag in Bewegung. Jede im Haus verbrachte Stunde scheint angesichts der Farbenpracht der herbstlichen Natur eine verschwendete Stunde zu sein.


Auf der langsam wieder zuwachsenden Rodung am Bärenberg gedeihen die Beerensträucher immer noch prächtig. Preiselbeeren sind schneller gepflückt als Blaubeeren, und die beiden zwei Liter fassenden Beerenpflücker sind so fast zu schnell voll.



Der Rückweg entlang des Gravsjö (Grabsee) bietet fantastisches, gleissendes Abendlicht. Doch die Schotterpistenfahrt bleibt nicht ohne Folgen. Zurück in der Stadt hat das Mietauto einen Plattfuss.




Bevor wir diesen wahrnehmen, entdecken wir auf dem Herbst- bzw. Sami-Markt, dass man aus erstaunlich vielen Köstlichkeiten der Natur Sirup (schwedisch - Saft) herstellen kann. Krähenbeeren- und Birkenblättersirup schmecken uns besonders gut. Vom Kosten aller Sirup-Sorten und Glögg-Variationen sind wir derart gestärkt, dass wir mit dem angerosteten Plattfuss-Rad kämpfen können, bis der Mond aufgeht ...



Samstag, 26. September
Ein mystischer Nebelmorgen lockt mich zu einem zeitigen Foto-Spaziergang ans Wasser. Die Sonne steigt immer noch eine halbe Stunde früher über den Horizont als zuhause, während das Abendlicht nun schnell schwindet.






Was liegt an einem solchen Traum-Morgen näher, als zur "Morgen-Gymnastik" das Kanu zu wassern?





Am Nachmittag sollen wir einen Kurs in der Kunst des Fischens erhalten. Trotz des enthusiastischen Mitfieberns unseres vierbeinigen Assistenten und viel Geduld beisst aber kein Barsch an.



Dank der reichen Beeren-Schätze aus der Natur müssen wir nicht hungern. Zum esten Mal tragen wir Krähenbeeren nach Hause. Die "Kråkbär" gilt als "vergessene" oder besser noch "verschmähte" Beere. Sie ist weniger geschmackvoll als die Blaubeere. Die Sami, Eskimos und Isländer schätzten sie allerdings schon immer - eingefroren als Wintervorrat in Milch, bzw. vermengt mit Fischleber oder Seehundspeck.
Als Marmelade-Beere geriet sie langsam in Vergessenheit. Im Zeitalter der "Superfoods" wird ihr allerdings eine leuchtende Zukunft vorausgesagt. Die bei Krähen beliebte Frucht enthält mehr Vitamin C als die hoch gelobte Blaubeere und soll über noch grösseres antioxidatives Vermögen verfügen! 



Heute haben wir viele Schüsseln dabei und können bis nach Sonnenuntergang am Hang des "Björnberget" herumkraxeln.




Sonntag, 27. September
Genug der "Ruhetage" - nun geht es auf grosse Tour. Die Trinkflaschen sind randvoll mit Krähenbeeren-Sirup, als wir auf der langen Birkenallee in Richtung Stadt rollen.



Entlang des Sees Lycksträsk verläuft der Radweg nordwärts. Der "Sverigeleden" (der nationale Radwanderweg) wechselt dann auf die Hauptstrasse. Sportlich erreichen wir Neuland. Weiter waren wir auch anläslich 32-Kilometer-Longruns nie gekommen.
Per Mountainbike können wir den aus eigener Kraft erreichbaren Radius gewaltig ausdehnen! Und das passt ganz gut zu dieser weitläufigen, Landschaft!




So schnell wie möglich biegen wir auf sandige Pisten ab. "Der Herbst ist ein zweiter Frühlig, wo jedes Blatt zur Blüte wird", sagt Camus. Die "Indian-Summer-Pracht" mobilisiert mindestens so viel Energie wie ein junger Frühling. Und die Fahrt durch den leuchtenden, einsamen Wald ist spannend, obwohl wir nur alle 5-10 km zu einem abgelegenen Haus oder (verlassenen?) Hof kommen ...



... und schliesslich nach 37 Kilometern zum See Falträsk samt gleichnamigem Dörfchen. 


Der Wald hat uns gut vor dem eisigen, starken Nordwind geschützt. Hier peitscht er schäumende Wellen ans Ufer, und wir sind froh, dass wir mitten im Dorf eine Windschutzhütte zum Rasten finden.



Wie so oft bezieht sich über Mittag der Himmel, und es fallen gar ein paar Nieselregentropfen.



Der Rückweg auf der selben Strecke bringt dank der neuen Perspektive noch weitere Entdeckungen. Die ausgeprägte Liebe zu Oldtimern fällt uns hier in "Norrland" auf. Manch seltenes Stück wird aufwändig renoviert, doch manch einer kann sich auch von seinen Rostlauben nicht trennen. Platz gibt es ja genug ...



Der Krähenbeeren-Sirup taugt als Sportgetränk, dank Rückenwind geht es flott voran, und am Lycksträsk kommt die Nachmittagssonne wieder hervor.
Auch auf der anderen Seeseite soll es eine Piste nach Falträsk geben - ein Abenteuer, dass wir uns für den nächsten Sommer aufheben wollen ...




Langsam wächst das Vertrauen in die unendlich scheinenden Wälder, und im Kopf wächst eine Landkarte der Gegend heran.

75.6 km Biketour 19.5 km/h / Puls 130
+/-435 hm, 12° schön bis leicht bedeckt, 21 km/h N-Wind
Track https://connect.garmin.com/modern/activity/911450867