Sonntag, 29. September 2013

Zunehmender Südwind

Sonntag, 29. September - Longrun-Tag
Die ganze Nacht über rüttelt der Südwind am Wohnmobil, und die Wellen brausen immer intensiver an den nahen Strand. Wir wälzen uns unruhig in unserem Alkoven-Bett, denn wir erleben eine Tropennacht.
Genau als wir uns um halb sieben zum Longrun aufmachen, fallen die ersten schweren Regentropfen. Das ist uns ganz recht, das Thermometer zeigt immer noch 22° an.



Eine knappe halbe Stunde später haben wir das Capo Pini ereicht. 
Mit Sorge blicken wir auf's Meer hinunter. In wenigen Minuten soll der (Halb-)Ironman Wettbewerb in unserer Nachbarbucht (Marina di Campo) gestartet werden. 
Die Wellen tosen und zischen, der Wind lässt grosse Schaumkronen entstehen und weht uns manchmal fast von der Strasse. Wir sind ganz froh, dass wir "nur" 32 Lauf-Kilometer vor uns haben. Schwimmen und Rad-Fahren bei diesem Wetter? 
Ob das möglich sein wird?

Mit Gegen- und Seitenwind kämpfen wir uns der Hauptstrasse entlang nach Porto Azzurro. Die Schuhe schmatzen bei jedem Schritt, sie sind so voller Wasser, und der sandige Asphalt ist rutschig, als ob wir auf Schmierseife laufen würden. 



Um halb acht Uhr ist es im Hafenort an der Ostküste noch fast finstere Nacht.



Wir lassen uns vom Scirocco-Sturm die Bergstrasse nach San Felo hoch pusten und "klettern" bis zum Sattel. Dort können wir fast nach den Wolken greifen, die in feuchten Schwaden ins Tal hinein getrieben werden.
Dieser Longrun "läuft" etwas besser als vor einer Woche, doch das Abwärtslaufen fühlt sich immer noch sehr mühsam an.



Zurück in Porto Azzurro kaufen wir Wasser ein. 
Regen und Wind begleiten uns auch auf den letzten zehn Kilometern. Glücklicherweise sind diese sehr abwechslungsreich und lassen sich in überschaubare Happen einteilen, denn die Energie wird wie vor einer Woche knapp, und die Muskulatur scheint noch nicht viel erholter...
3 Kilometer über die Ebene am Fusse von Capoliveri - 3 Kilometer bis zum Pinienkap hoch - am Schluss 4 Kilometer sanft abwärts der Bucht von Lacona entgegen, in der das Meer noch entfesselter tobt als am frühen Morgen - einen solch verrückten Regen-Longrun haben wir auf Elba noch nie erlebt! 
Erleichtert stoppen wir nach 32.5 km unsere Uhren.


Gegen Mittag fahren wir nach Marina di Campo um nach den Triathleten zu sehen. Jene Athleten, welche die halbe Ironman Distanz zurücklegen, kommen nach dem Radfahren just aus der Wechselzone. Nicht wenige tragen Spuren von Stürzen - aufgeschlagene Ellenbogen, geschundene Hüften, zerrissene Radhosen...
Des aufgewühlten Sandes am Ende der Schwimmstrecke nach zu urteilen, waren sie zuvor auch ins scirocco-gepeitschte Meer geschickt worden.

Nun drehen die Eisen-Männer und -Frauen ihre nicht enden wollenden Runden durchs Städtchen, während sich ein Gewitter zusammenbraut, sich schliesslich auch mit Blitz und Donner aus nächster Nähe entlädt und mehr als knöcheltiefe Riesenpfützen hinterlässt. Einen Ironman zu bewältigen, scheint schon an einem schönen Tag eine schier übermenschliche Leistung zu sein - aber unter solchen Bedingungen!!! 


32.5 km Longrun 5:34 Min./km / Puls 129
+/- 395 hm / 22° Scirocco und Dauerregen
Track http://connect.garmin.com/activity/384202591

Samstag, 28. September
Trotz Jogging-Tempo schwitzen wir bereits nach drei Kilometern intensiv. Um über weiche Piniennadeln zu laufen und auf dem Kap, das nach den fein duftenden Nadelbäumen benannt ist, den Sonnenaufgang zu bewundern, nehmen wir doch fast täglich die hundert Höhenmeter dort hinauf in Kauf.




9.0 km Jogging 5:49 Min./km / Puls 115
+/ 95 hm / 19° leicht bewölkt
Track http://connect.garmin.com/activity/384202559

Freitag, 27. September
Die Luftfeuchtigkeit nimmt von Tag zu Tag zu. Unser Mitteltempo-Training, das wir auf unserer Lieblings-Strecke über's Capo Pini hin und zurück laufen, wird eine richtige Knacknuss. 150 Höhenmeter sind auf den 10 Tempo-Kilometern zurückzulegen. Bergauf schnellt der Puls mehr in die Höhe als mir lieb ist, doch erstaunlicherweise spüre ich die Jungfrau-Marathon-Müdigkeit vor allem auf den Abwärts-Passagen.



Wie gut, die brennenden Muskeln nach dem Training ausgiebig im Meer kühlen zu können!

10 km Mitteltempo 47:56 Min. / 4:47.6 Min./km / Puls 154.7
in 15.6 km / 5:14 Min./km / Puls 142
+/- 185 hm / 17° leicht bewölkt, feucht
Track http://connect.garmin.com/activity/384202539

Donnerstag, 26. September
Die Aussicht vom Capo Pini ist noch dramatischer als gestern. Dicke, feuchte Wolken hängen über dem Monte Calamita, an dessen Flanke das Bergdorf Capoliveri thront - das heutiges Ziel für die erste Kaffee-Pause. 




Unsere kurze Biketour ist anstrengender, als jene vor ein paar Tagen. Ob es am neu entdeckten buckligen, sandigen Weg liegt, oder der zunehmenden Scirocco-Wetterlage? 


Erstaunlicherweise verschwinden die Wolken, welche am Morgen ein eindrückliches Licht-Schatten-Schauspiel liefern gegen Mittag wieder. Und der Abend präsentiert sich in den schönsten Pastellfarben. 



24.7 km lockere Biketour 16.6 km/h / Puls 101
+/- 395 hm / 17° leicht bedeckt
Track http://connect.garmin.com/activity/381476287

Mittwoch, 25. September
Der Wind hat über Nacht gedreht, er bläst nun von Süden und schiebt uns viele Wolken entgegen. Die Campingmöbel sind taunass, und das Licht der aufgehenden Sonne ist stechend und grell. Das feuchte Klima lässt unseren lockeren Lauf nicht ganz locker erscheinen.




12.2 km lockerer Lauf 5:33 Min./km / Puls 123
+/- 175 hm / 17° leicht bewölkt
Track http://connect.garmin.com/activity/381476275

Dienstag, 24. September 2013

Elba-aahh

Wir sind in den Herbstferien, und es ist herrlich auf Elba. Die Insel steht zu einem grossen Teil unter Naturschutz, duftet betörend nach Pinienharz und Gewürzen, die frühen Morgenstunden sind wunderbar angenehm zum Trainieren, und darauf ladet das Meer zum Bade.
Einen winzigen Haken hat dieses Paradies - das Internet ist superlangsam und funktioniert oft gar nicht. Seit Tagen bastle ich an einem stichwortartigen Blog-Eintrag... 


Am Sonntag hätten wir nicht gedacht, dass wir heute ein erstes Marathon-Tempo-Training laufen könnten. Doch schon beim Einlaufen werden wir vom Beingefühl positiv überrascht. Die Biketour von gestern hat Wunder gewirkt! 

4 x 3000 m im Marathon-Tempo stehen auf dem Programm. Glücklicherweise ist die Ebene von Lacona fast genau 1.5 Kilometer breit und schüsselt sich nur am Rand leicht, wie ein Suppenteller, so dass wir unsere Intervalle hinter dem Strand hin und her laufend fast flach unterbringen können.

Den ersten 3-Kilometer-Abschnitt bewältigen wir noch vor Sonnenaufgang. Und es rollt einfach genial. Die Verspannungen und die Müdigkeit sind wie weggeblasen!
Beim zweiten Intervall geht die Sonne auf. Noch ist die Luft in der Bucht ganz kühl und feucht. Von den Hügeln scheinen kalte Luftwellen ins Tal zu kriechen. Und wenn wir ausatmen ziehen wir kleine Dampfwölkchen hinter uns her.
Obwohl die Sonne rasch höher steigt, verlaufen auch die beiden letzten Tempo-Abschnitte wunderbar. Das war ein gelungener Einstieg ins Firenze-Marathon-Training!

4 x 3000 m Marathon-Tempo 4:37.2 / Puls 146.1
1. 3000 m / 4:36.7 Min./km / Puls 141.0
2. 3000 m / 4:35.3 Min./km / Puls 146.0
3. 3000 m / 4:37.8 Min./km / Puls 147.7
4. 3000 m / 4:39.1 Min./km / Puls 149.7
in 19.2 km / 5:13 Min./km / Puls 136
+/- 50 hm / 17° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/380582988

Montag
Um der Laufmuskulatur eine Pause zu gönnen, tauschen wir das Montags-Jogging durch eine lockere Tour mit dem Bike aus. 



Den Sonnenaufgang erleben wir heute auf der Fahrt über den Monumento-Pass. Ein paar wenige Minuten nur wird die ganze Bergflanke in rotes Licht getaucht.



260 Höhenmeter nach dem Start blicken wir zurück auf die beiden Buchten Golfo della Lacona und Stella.



In der Nähe des Flughafens von La Pila geht das "Klettern" weiter. Unser Ziel ist das Bergdorf Sant' Ilario.




Oben angekommen ist die Aussicht hinunter nach Marina di Campo und hinüber zum Bergdorf San Piero wunderbar.



In Sant' Ilario macht der mobile Marktstand Station, und wir kaufen uns frische Früchte zum verdienten Morgenkaffee.



Die Heimfahrt führt von der anderen Seite über den 260 Meter hohen Monumento Pass. Die Fernsicht ist genial. Der Mond leuchtet direkt über dem Monte Maolo und Sant' Ilario, das schon wieder weit zurück liegt. Und am Horizont ist gar Korsika zu entdecken.

Den dritten Anstieg bewältigen wir nicht mehr so locker, wie die ersten zwei. Doch im Grossen und Ganzen tut es gut, die Durchblutung nach dem mühsamen Longrun noch einmal anzuregen und beim Biken ganz andere Muskeln zu beanspruchen und hoffentlich auch zu kräftigen.


24.7 km Biketour Lacona - Monumento - Sant' Ilario retour
14.2 km/h / Puls 114
+/- 725 hm / 17° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/380094834

Sonntag
Durchdringendes Kikeriki weckt uns rechtzeitig, und bei Sonnenaufgang erreichen wir bereits das Pinienkap.



Wir sind gespannt, wie lange unser Longrun heute werden wird. 




Meine Muskeln sind noch sehr müde und verspannt vom Jungfrau Marathon. Mit regelmässigen Dehn-Pausen lassen sie sich aber immer wieder lockern.
Nach zehn Kilometern erreichen wir Porto Azzurro und wagen noch e
inen Abstecher zur Wallfahrtskirche Madonna di Monserrato, welche im 17. Jahrhundert erbaut wurde.




Unauffällig duckt sie sich vor den schroffen roten Felsen des Monte Castello und der Cima del Monte auf einem winzigen Hochplateau.



Bei der uralten Grossvater-Pinie ("Nonno Pino") treten wir nach gut 14 Kilometern den Rückweg an.



Es wird rasch wärmer. Trotzdem bleibt der Puls recht ruhig. Kreislaufmässig habe ich im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren keine Mühe, mich auf das Meeresklima umzustellen. Und doch ist der Heimweg der müden Beine wegen die reinste Kopfarbeit. Glücklicherweise führt die Strecke auf den letzten vier Kilometern abwärts und direkt zum Strandrestaurant "Miramar". 

28.5 km Longrun Lacona - Porto Azzurro - Madonna di Monserrato retour
5:30 Min./km / Puls 131
+/- 295 hm / 22° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/380094823

Samstag Nachmittag
Um zu testen, ob wir morgen bereits einen Longrun wagen sollen, unternehmen wir eine Jogging-Tour auf's Capo ai Pini.
Die hügeligen Kilometer gelingen nach der langen Fahrt erstaunlich leicht.
Im Gegensatz zum feuchtheissen Scirrocco-Wetter, das wir letztes Jahr angetroffen hatten, weht nun ein sanfter Nordwind, die Luft ist klar, Himmel und Meer leuchten stahlblau - herrlich!

8.9 km Jogging 5:53 Min./km 
Puls 118
+/- 110 hm / 23° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/380094816

Freitag Mittag
Wir machen eine Pause beim Wohnmobil-Packen und versuchen es mit einem klitzekleinen Tempo-Training. So wenige Tage nach dem Jungfrau Marathon sind die Beine darüber noch nicht sehr begeistert.

4 km Mitteltempo 4:48.9 Min./km / Puls 149.2
in 10.1 km 5:27 Min./km / Puls 131
+/- 75 hm / 19° schön, Westwind
Track http://connect.garmin.com/activity/378385553

Donnerstag, 19. September 2013

Runningblog laufend unterwegs

Wenn zwei eine gemeinsame Reise tun, dann haben sie sich was zu erzählen! Meist bin ich mit meinem Mann, Freunden oder den lätti runners laufend auf der Reise - auf Abstechern aus dem Alltag, oder hin zu neuen (gemeinsamen) Zielen, und dabei gehen die Gesprächsthemen nie aus.
Durch den Blog vernetzen sich Laufgeschichten von Läufern, die in ganz verschiedenen Lauf-Revieren unterwegs sind, einige sogar in ganz anderen Klimazonen mit ganz unterschiedlichen Zielen und Trainings-Philosophien. Spannend, motivierend und lehrreich ist dieser Austausch!

Heute wurde aus einem ersten anonymen Kommentar zu meiner Geschichte über den verkürzten Aletsch-Halbmarathon (im Juli) eine live Begegnung in der realen Welt!
Elke, die mittlerweile selber Blog-Geschichten schreibt - hauptsächlich über ihr unterwegs Sein im Rheinländischen Braunkohle-Abbaugebiet, reiste spontan in die Schweiz. Und wir liessen uns die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Lauf nicht entgehen.


Vor lauter Erzählen unserer vielen Lauferlebnisse hätten wir beinahe vergessen, zum vereinbarten Training aufzubrechen...
Doch bis gegen Mittag hatten sich die meisten Wolken verzogen, die Herbstsonne strahlte warm, und die ländliche Idylle meiner Trainings-Strecke am hügeligen Rand des Seelandes zeigte sich von ihrere besten Seite.
Überall waren die Tiere auf der Weide - weiss-schwarz gescheckte Kühe, Schafe, braune Ziegen, die Minipferdchen mit der goldenen Mähne, eleganten Reitpferde, und über unseren Köpfen zwitscherten noch die letzten Schwalben.


Während Elke fürchtete, ihr 6 km-Tempo-Lauf von 5:55 Min./km könnte für mich zu langsam sein, war ich sehr froh, dass ich so kurz nach dem Jungfrau Marathon nicht schneller rennen musste! 
Meinerseits hoffte ich, unsere hügelige Strecke sei für sie nicht zu anstrengend. Doch Elke bewältigte ihren Tempo-Abschnitt trotz ein paar Zusatz-Höhenmetern munter plaudernd haargenau in der Soll-Geschwindigkeit, und bewunderte dabei die Weitsicht bis zur Jurakette und dem Chasseral.

Danke Elke für deinen Besuch, das unterhaltsame Beisammensein und den schönen Lauf!

10.2 km Jogging 6:04 Min./km / Puls 113
+/- 80 hm / 15° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/377940549

Mittwoch
Unterwegs mit den lätti runners unter einem wunderschönen Regenbogen bei Wind und Wetter.
6.9 km darin 3-5-1-3-5-1 Min. Fahrtspiel 6:36 Min./km / Puls 108
+/- 25 hm / 15° Regen und Wind
Track http://connect.garmin.com/activity/377768190

Dienstag
7.1 km Jogging 6:00 Min./km / Puls ca. 115
+/- 50 hm / 12° bedeckt und windig
Track http://connect.garmin.com/activity/377270530

Sonntag, 15. September 2013

Jungfrau Marathon 2013

Die Behandlung beim Physio wirkt am Freitag Wunder. Die verspannte Muskulatur im Gesäss und unteren Rücken hatte sich auf die ganze Muskelkette bis zum Fuss ausgewirkt. Er trifft und löst genau die richtigen Punkte. Den Erfolg spüre ich schon beim Gang aus der Praxis! Beim ultrakurzen lockeren Lauf ist am Abend nur noch ein muskelkaterartiges Gefühl zu spüren.
Die Wetterprognose sagt mir zu (14° bei Start, 9° auf der Kleinen Scheidegg, leichter Nieselregen und  80 - 100 % Bewölkung). Eben noch glaubte ich, nicht zum Jungfrau Marathon starten zu können, und am Abend schreibe ich einen Plan mit Etappenzeiten. Das Erlebnislauf-Resultat vom letzten Jahr (5:15 Stunden) sollte ich bei diesen optimalen Wetterbedingungen schaffen können (Plan B). 
Ob es sogar für eine neue Bestzeit reichen könnte (sub 5:03:46) oder meine Traum-Zeit von 4:59:59 (Plan A)?


Um halb sieben Uhr treffen wir Hugo im Bahnhof Bern und stärken uns auf der Zugreise nach Interlaken mit Kaffee.
"Das Zelt" auf der Höhenmatte in Interlaken ist ganz in Läuferhand. Es ist herrlich in diese bunte nach Dul-X duftende (Berg-)Läufer-Welt einzutauchen! Wir zahlen die Ummeldegebühr für unsere vor wenigen Wochen spontan erworbenen Startnummern. Darauf haben wir viel Zeit zum Umziehen. Die meisten Mitläufer haben warme Tenues gewählt. Da die Sonne schon hinter den sehr dünnen Schäfchen- und Schleierwolken hervor guckt, wagen wir ins kurzärmlige bis ärmellose Outfit zu schlüpfen. Statt der Kamera stecke ich sicherheitshalber Ärmlinge und Stirnband ins Trinkgurt-Täschchen.

Um halb neun Uhr muss das Gepäck abgegeben sein. Für ein "Vorher-Bild" reicht es noch. Hinter dem "Zelt" grüsst die verschneite Jungfau unter dem milchig-weissen Morgenhimmel.



Heute möchte ich mich ganz auf's Laufen konzentrieren! Eine ausführliche Bildreportage von der Strecke gibt es im Blog-Bericht vom Jungfrau Marathon 2012 zu sehen.

Während die Alphornbläser ein Ständchen geben und die Fahnenschwinger in Aktion sind, jammern wir alle einander beim Einlaufen um die halbe Höhenmatte ein bisschen von unseren schweren Beinen vor. Wir können uns überhaupt nicht ausmalen, was dieser Tag bringen wird. 
Eines ist aber sicher - Andi ist zurzeit viel besser in Form als ich, und wir haben ausgemacht, dass heute besser jeder für sich läuft.

Start

Wir reihen uns in der Nähe des 5:00 Stunden-Pacemakers ins riesige Startfeld der über 4'000 Läufer. Die Spitzenathleten werden vorgestellt. Magnet der diesjährigen Austragung ist DER Schweizer Marathon-Läufer - Viktor Röthlin. Die Landeshymne ertönt, und mit ein paar ohrenbetäubenden, im Brustkasten vibrierenden Böllerschüssen werden wir auf die Strecke geschickt.
Es dauert eine ganze Weile, bis wir uns in Bewegung setzen können. In leichtem Trab geht es über die rote Zeitmessmatte. Erst nach mehreren hundert Metern, auf denen wir tosenden Applaus geniessen können, kommt die Läuferflutwelle in besseren Fluss. In der ersten Kurve steht man einander doch auf die Füsse. Eine Frau stürzt und schlägt sich Knie und Hände auf - sofort hilft ihr jemand aufzustehen, und ein Raunen des Bedauerns geht durch das Feld. 

42.195 Kilometer, 1'829 Höhenmeter und ca. 5 Stunden Laufzeit erwarten uns. Eine nicht enden wollende Strecke könnte man meinen. Doch ich hatte noch nie das Gefühl, beim Jungfrau-Marathon besonders lange unterwegs zu sein. Bei diesem Wettkampf orientiere ich mich nicht an den Kilometern. Ich teile ihn in 7 Etappen ein. Und jede für sich ist sehr kurzweilig. 

1.Etappe
Interlaken - Wilderswil - 10 km

Der Applaus auf der Runde um die Höhematte und durch Interlaken ist berauschend. Freundin Jeannine winkt samt Familie vom Hotel-Balkon, Kuhglockengeläut treibt uns durch die Strassen, das Personal aus Restaurants und Geschäften steht Zuspruch spendend auf dem Gehsteig. Über die weiss bekittelte Gesellschaft vor der Apotheke muss ich jedes Jahr besonders schmunzeln.

In der Autobahnunterführung auf dem Weg nach Bönigen überwinden wir die ersten Höhenmeter. Die Sonne hat über die zarte Bewölkung gesiegt. Mir wird schon warm, und ich kippe an der ersten Verpflegungsstelle einen Becher Wasser über die Haare.
Es läuft fast zu gut. Hugo und Andi sind mir nach fünf Kilometern nur ein paar Schritte voraus. Bremsen, bremsen, BREMSEN erinnere ich mich ständig, denn ich bin auf den ersten flachen Kilometern schneller als die vorgenommenen 5:20 Min./km unterwegs. Im Gegensatz zu den beiden Inferno-Halbmarathon-Finishern habe ich doch nur zwei Berg-Trainings in den Beinen!

Ich verpasse einen Blick auf den türkisblauen Brienzersee zu werfen. Erst das alles durchdringende Glockengeläut der Trychlergruppe in Bönigen weckt mich aus der Konzentration auf Atmung und Beingefühl. Die Schmerzen die mich so lange geplagt hatten sind tatsächlich verschwunden. Zurückgeblieben ist nur eine leichte Muskelkater-Schwere. Ob die Kraft bis zu den letzten steilen Kilometer reichen wird?

Statt zuviel über's Laufen zu sinnieren, will ich das unterwegs Sein bewusst geniessen und da und dort ein paar Worte wechseln. Ich habe zu einem Läufer aufgeschlossen, dessen Shirt schon triefnass verschwitzt ist. Um seine Hüften schwingt im Takt der Schritte ein echter, blauer, wollener Schottenrock. Die Beine stecken in dazu passenden, dicken rohweissen Wollstrümpfen. Er erzählt, er trage seine Clan-Tracht heute mit Stolz, obwohl der hinten aufwendig gefaltete, knielange, karierte Wickelrock ganze 10 Kilogramm wiege! Jemand ist gar so kühn, zu fragen, was er denn unter dem Kilt trage! Es sei tatsächlich so, wie im Film "Braveheart" zu sehen, gibt er Preis...
Der Schotte ist nach wenigen Kilometern schon so vollkommen begeistert von diesem schönen Marathon, dass er sagt, er hätte einen längeren Aufenthalt in der Schweiz buchen sollen. Und uns versucht er im Gegenzug den "Loch Ness" Marathon schmackhaft zu machen.

So verfliegt die Zeit fast unbemerkt. Am Schiessstand vor Wilderswil sind die Schützen am Werk. Schwerer Schwarzpulverduft liegt in der Luft. Der Schatten nach der Brücke über die Lütschine ist willkommen, und schon leuchtet das gelbe 10 Kilometer-Schild bei der Verpflegungsstelle in Wilderswil. Eine Minute zu schnell - das war nichts mit meinem Bremsversuch.

52:35,2 Minuten - 71. AK Rang

2. Etappe 
Wilderswil - Gsteigwiler - Zweilütschinen 15 km

Ein dichtes Zuschauerspalier trägt uns mit viel Jubel, Lob und Applaus durch die Kopfsteinpflaster-Gasse in Wilderswil zur Holzbrücke, hinter der uns schräge Guggenmusik-Klänge entgegen schlagen. Am Fuss der Rampe nach Gsteigwiler hoch wünsche ich dem Schotten einen guten Lauf, lasse ihn ziehen und versuche etwas Tempo rauszunehmen.

Im eigenen Takt rollt es bergauf gar nicht schlecht. Bald umfängt mich Schwyzerörgli-Musik im malerisch mit Geranien geschmückten Dörflein. Ein paar Schritte geht's bergab, und am Dorfbrunnen schöpfe ich eine Hand voll Wasser für die heisse Stirn. Hätte ich doch den Sonnen-Schild angezogen! Das Licht ist schon so intensiv, dass der ewige Schnee am Silberhorn spiegelt wie Glas!
Die warmen Klänge einer Steelband helfen uns über die nächste Hügelkuppe. Jetzt folgt einer meiner liebsten Abschnitte des JMTs. Malerische Feldwege führen mit Aussicht auf den Fluss meist sanft abwärts zum Bahnhof von Zweilütschinen. Zum Glück kommt kein Zug, und wir können die Geleise ungehindert überqueren. Ich kann kaum glauben, wie gut ich unterwegs bin!

27:47,6 Minuten / 1:20:22,8 Stunden - 65. AK Rang

3. Etappe 
Zweilütschinen - Lauterbrunnen - 21.1 km

Über nasses Gras geht es ein Stück den Geleisen entlang zur nächsten Verpflegungsstelle. Ich fülle die Wasserflasche auf und genehmige mir bewusst früh einen ersten Schluck aus der Gel-Flasche. 
Der grobe Kiesweg entlang des sprudelnden, schäumenden und tosenden Wildwassers der weissen Lütschine liegt ganz im Schatten. Die Luft im engen Tal ist wunderbar kühl und feucht. Und ich bin froh, dass ich auch auf unebener Piste weiterhin schmerzfrei und effizient bergauf laufen kann!
Achtung Steinschlag warnt ein Schild am Fusse einer auffällig geschichteten, bröckeligen, Felswand. Der Weg wird noch etwas steiler. Er klebt kurz darauf von Geländern gesichert als schmaler Pfad nur knapp über dem eiskalten, brausenden Gletscherwasserfluss. Für einmal kommt es hier nicht zum Stau, bevor sich der Läuferstrom auf eine sonnenbeschienene Wiese hinaus ergiessen kann. Vor uns erhebt sich das zauberhaft schöne Silberhorn. Ach, ich bin so glücklich, dass ich dazu gehöre zur bunten Läuferkette, die sich das Tal hinan windet. 

Wie jedes Jahr laufe ich mit mulmigem Gefühl über die Holzplanken der Lochbrücke. Sie schwankt und schwingt unter den vielen Läuferfüssen abenteuerlich, während in der Tiefe die Lütschine rauscht. Der Weg verläuft immer höher an deren Ufer. Über zwei weitere Brücken und eine steile Rampe verlassen wir das tief eingekerbte Flusstal und erreichen Lauterbrunnen.

Ein blauer Teppich erwartet uns, und der Jubel der mehrreihig und dicht gedrängt stehenden Zuschauer saugt uns förmlich das Dorf hinan. Flaggen wehen über unseren Köpfen, Glocken und Trycheln läuten und dröhnen so laut, dass mein Herz zu zittern scheint. Der Speaker verkündet, dass Vik irgendwo hoch über Wengen auf dem 3. Platz unterwegs sei.

Der Staubbachfall nieselt sanft und unaufhörlich über die hohe Felswand auf der rechten Talseite. Abwärts geht es der nächsten Erfrischungsstelle entgegen. Ich versuche möglichst ungebremst zwischen all den stehen bleibenden Läufern hindurch zu kommen und schnappe mir einen nassen Schwamm.

Erfrischt eile ich der Halbmarathon-Marke entgegen.
Sechs Minuten früher passiere ich sie als vor einem Jahr - 
vier Minuten eher als bei meinem schnellsten JMT 
haargenau so schnell, wie ein Jahr darauf, als ich vergeblich versuchte, jene Zeit zu unterbieten... 
Das richtige Gleichgewicht zwischen dem ersten und zweiten Halbmarathon ist beim JMT ein heiss diskutiertes Thema. Wie viel "Gas" darf man unten geben, damit für den höhenmeterreichen zweiten Teil noch genügend Kraft übrig bleibt? 
Eigentlich hätte ich heute zwei Minuten langsamer laufen wollen... 
Wie wird dieses Abenteuer wohl enden?

36:53,5 Min. / 1:57:16,3 Stunden - 52. AK Rang

4. Etappe
Halbmarathon-Marke - Lauterbrunnen Ey - 25.6 km

Die Schlaufe durch's Lauterbrunnental ist bis auf einen Buckel nach dem Halbmarathon flach. Steelband Klänge schicken uns nach der Überquerung des Trümmelbaches gar flussabwärts. 
Ein soeben gelandeter Base-Jumper rafft seinen Schirm zusammen, und der Applaus der ganzen Belegschaft der Heli-Basis von Air Glaciers ist sehr motivierend. Ich lasse es ungebremst rollen, so gut das mit schon etwas müden Beinen noch geht. Die Kilometerzeiten schrumpfen noch einmal. 
Dann muss der Läufer-Tausendfüssler auf dem steinigen Weg entlang der Lütschine Platz finden, und unser Übermut wird wieder gebremst.

In Ey habe ich keine Zeit für Zwischenzeit-Berechnungen. Die bevorstehende "Wand" hat bereits mein ganzes Denken eingenommen. Ich krame Salztabletten hervor und fülle den Wasservorrat auf, um für die "Kletterpartie" nach Wengen gerüstet zu sein. Obwohl ich Respekt habe vor dem harten Strecken-Brocken mit knapp 500 Höhenmetern, freue ich mich auf die "Gehpause".

24:01,1 Min. / 2:21:16,4 Stunden - 47. AK Rang

5. Etappe
Ey - Wengen - 30.2 km

Kaum jemand rennt mehr auf den steilen Serpentinen die "Wengener-Wand" hoch. Mein Puls klettert über 160, und ich schreibe dies der Wärme zu. Eigentlich habe ich das Gefühl gut voranzukommen und verfüge noch über genug Luft mit einem Paar aus Schweden zu plaudern. Sie finden unsere Berge seien wahnsinnig steil... Ja, das Lauterbrunnental liegt wirklich schon sehr bald weit unter uns.
Die Streckenmarkierungen folgen in 250 Meter-Abschnitten. Die nächste Zwischenzeit bei km 27 gibt mir mächtig zu denken: 17:34 Min. - so lange hatte ich für den ersten "Wand-Kilometer" noch gar nie! Ist das möglich, oder habe ich ein Schild verpasst? Da und dort kann ich doch noch überholen, meist nehme ich mit grossen Schritten die steilen Innenkurven?! Nein, ich glaube der Uhr nicht!
Das Haus, bei dem jedes Jahr  "the wall" aus Lautsprechern dröhnt wird renoviert. Schade, dass die vertrauten Klänge fehlen! Wenige Serpentinen später wird der Weg flacher. Die Umstellung vom strammen Bergaufgehen zum Laufen ist nicht einfach. Meine Jogging-Schritte fühlen sich eckig an. Da und dort schiesst jemandem ein Krampf in die Waden, und das Ausweichen ist auf dem schmalen Pfad nach Ausserwengen schwierig. An der nächsten Verpflegungsstelle geht es chaotisch zu. Gierig werden die bereitstehenden Becher anvisiert. Jemand läuft mir quer vor die Füsse, der Zusammenstoss ist unvermeidlich.

Das letzte Wegstück nach Wengen hoch ist wieder breiter und asphaltiert. Der erste grosse Knackpunkt dieses Bergmarathons ist überwunden. Der fantastische Tiefblick ins Lauterbrunnental macht uns unsere gewaltige Leistung deutlich. Die Läuferschlange entspannt und entwirrt sich glücklicherweise wieder.
Jetzt geht's definitiv direkt dem gigantischen Jungfrau-Massiv entgegen. Ein Fahnenschwinger wirbelt jodelnd eine riesige Berner-Fahne durch die Luft, die Kirchenglocken läuten - welche Berg-Idylle! Es ist genau Mittag.

Kaum eine Minute später geht es auf der Hauptstrasse abwärts in die tosende, beflügelnde Stadt-Marathon-Feststimmung von Wengen hinein.
Applaus, persönlicher Zuspruch und Rätschen-Gerassel jagen mir einen Schauer über den Rücken. Als ich die Zwischenzeit-Messmatte überquere bin ich sehr erstaunt, dass ich meinem kühnsten Plan immer noch hauchdünn voraus bin (winzige 2 Sekunden). Aber es warten noch 12 Kilometer mit 1'000 Höhenmetern!

45:31,5 Min. / 3:06:47,9 Stunden - 44. AK Rang

6. Etappe 
Wengen - Allmend - Wengeralp-Wixi - 37.9 km

Die steile Rampe zum Hotel Regina hoch bietet einen Vorgeschmack auf die noch folgenden "Kletter-Partien". Dankbar nehme ich bei der Englischen Kirche (km 31) einen ersten Schluck Cola aus der Flasche, die unser Bekannter Felix mir entgegen streckt. Einigermassen locker schaffe ich die Runde durch Wengen, zum Schwimmbad hoch und wieder abwärts unter der Brücke der Wengerneralp-Bahn hindurch. 


Dann ist für mich definitiv Marschieren angesagt. Am super ausgestatteten Verpflegungsstand greife ich wieder zu Cola, welches ich mit dem mitgetragenen Salzwasser runter spüle. 
Der eineinhalb Kilometer lange stetig steil ansteigende Weg zur Haltestelle Allmend zehrt an den Reserven. Mir scheint dieser Abschnitt einer der anspruchsvollsten zu sein! 

Umso mehr freue ich mich, hier bekannte Gesichter zu sehen! Jeannines Tochter steht mit einer Schweizerflagge am Wegrand, und von Jeannine und Patrick bekomme ich einen kurzen Renn-Rapport.


Es ist beruhigend zu wissen, dass es Andi super zu laufen scheint. Er sei schon vor einiger Zeit vorbeigekommen - wohl etwa vor 10 Minuten. Sie meinen, auch ich sei gut unterwegs, es sehe entspannt aus. Das motiviert. 

Gleich sei es halb eins, werde ich informiert. Ui, um 12:31 hätte ich eigentlich die Allmend erreichen wollen!

Am Übergang zur welligen Strecke nach Wengernalp zeigt die Uhr 12:33:24 an...
Jetzt scheint es hart zu werden! 
Es ist ja durchaus abenteuerlich, nach nur drei Wochen durchzogener Marathon-Vorbereitung und zwei Bergtrainings davon zu träumen, eine neue JMT-Bestzeit zu laufen, nur weil das Wetter heute ähnlich kühl ist wie damals vor 5 Jahren!

Eigentlich liegen mir die welligen Kilometer bis zur Wengernalp und der stetige Wechsel zwischen Gehen und Joggen. Und doch schaffe ich es diesmal kaum aus dem zügigen Bergwander-Trott auszubrechen. Die Muskeln sind nach 33, 34 Kilometern wirklich schon sehr müde. 

Es ist jedoch vor allem der Magen, der mich vom Laufen abhält. Mittlerweile schwappt darin eine sehr exotische Mischung aus Gels mit Kokos-Geschmack, Bouillon, Cola und Salzwasser. Sobald ich ein paar Schritte laufe, macht mir der Bauch mit einem Anflug von Übelkeit deutlich, dass er nicht zu sehr geschüttelt werden wolle.

Solange ich gehe, geht es mir prima. Ich gebe mein Bestes, aber quälen will ich mich nicht bei diesem Lauf, der ursprünglich als Erlebnis-Lauf geplant war. Die Bergwelt ist zu schön, um verbissen kämpfend, mühsam vornübergebeugt auf die staubigen Schuhe zu starren. Ich will es nicht verpassen, die Blumen am Wegrand zu bemerken, die rosa Weidenröschen und den tiefblauvioletten Eisenhut zum Beispiel.

Bei der Mettlenalp greife ich noch einmal zu Cola und trinke Schluck für Schluck, während wir aus dem Wald hinaus treten und sich das immer wieder Gänsehaut verursachende, überwältigend Panoramabild der gigantischen Eisriesen vor uns ausbreitet.


Es geht mir wieder besser. Wie bunte Ameisen sieht man die Läufer am Fusse der Loucherflue den Grashang zur Moräne hochkrabbeln. Ich bin jetzt ganz sicher, dass ich das auch schaffen werde. Auf den restlichen zwei Kilometern bis zur Wengernalp kann ich wieder öfters ein paar hundert Meter traben. Doch auf Plan A habe ich nun sieben Minuten eingebüsst.

1:12:39,2 Min. / 4:19:27,1 Stunden - 45. AK Rang

7. Etappe
Wixi - Ende Moräne - Loucherflue - Ziel 

Erstaunlich gut und schnell tragen mich meine Füsse hinunter zur Talstation der Sesselbahn Wixi. Die Originalroute ist zurzeit gesperrt. Mit einem Becher Bouillon in der Hand nehme ich die alternative Entlastungsstrecke in Angriff. Nach den niederschlagsreichen Tagen ist sie etwas matschig und duftet zünftig nach Kuhfladen. 

Ich treffe auf einen sehr erfahrenen Läufer - keinen einzigen Jungfrau-Marathon hat er je ausgelassen! Da ist es natürlich interessant zu diskutieren, welche Route nun wirklich die Schönere und Schnellere sei. Die Originalroute gefalle ihm wie mir besser. Zielzeiten würden allerdings mit jedem Jahr unwichtiger, und die Bestzeit sei sowieso längst unerreichbar geworden. Wen würde schon interessieren, ob er heute seinen 10. oder 20-besten JMT laufe. Dabei sein und ankommen sei das Ziel beim JMT. Weise Worte!

Plötzlich kracht es über den Bergen. Ist ein Jet im Anflug? Nein, wir werden Zeugen eines eindrücklichen Naturschauspiels. Am Eigergletscher muss ein grosses Stück Gletschereis abgebrochen sein. Es donnert und rumpelt gewaltig. Das Eis zerbirst wie Glas und rieselt mit einem feinen Säuseln minutenlang wie ein Wasserfall aus feinstem Kristallzucker die Felswand hinuter.


Bald sind die letzten felsigen Stufen auf die Haaregg überwunden. 
Die Alphornbläser setzen zu einem neuen Konzert an, Schweizerfahnen wirbeln knatternd durch die Luft. Die beiden Läuferströme kommen am Fuss der Loucherflue wieder zusammen, und das Einfädeln auf den engen Grasweg zur Moräne verläuft ohne Stau. 

Der Rhythmus des Gänsemarsches entspricht mir heute genau (ganz anders als bei früheren Teilnahmen) ich kann einfach mitfliessen und auch hohe Steinstufen noch gut bewältigen. 
Die Kraft reicht aus, die Muskeln bleiben vor Krämpfen verschont, schon ist der Dudelsackspieler am Ende der Moräne zu hören. Die Zuschauer, Helfer und Fotografen feiern uns als ob wir schon am Ziel wären.

Der kurze Weg zur Loucherflue, dem höchsten Punkt der Strecke, führt zuerst ein paar Meter abwärts von der Moräne hinunter, die es sachte zu bewältigen gilt. 
Dann versuche ich noch einmal Gas zu geben, weil ich bemerke, dass ich die Moräne viel besser bewältigt habe, als erwartet! Die Uhr zeigt noch keine 5 Stunden an. Für eine Bestzeit reicht es nicht mehr - aber mit Nr. 2 könnte es klappen.

Da entdecke ich Regula und ihren Mann im Gras sitzen. Ihr begeistertes Winken und Zujubeln verleit mir Flügel. Schon erreiche ich den "Schoggi-Tisch-Felsen" auf der Loucherflue. Auch hier gratulieren uns die freundlichen Helfer bereits persönlich. Gerne greife ich zum Überwinden der Felsen-Treppenstufen rechts und links je eine helfende Hand.


Dann hält mich nichts mehr. Dass es abwärts dem Ziel entgegen noch so flüssig rollt, ist eine schöne Überraschung. 
Der Weg liegt schräg am Hang und ist zum Teil recht steinig. Doch sogar vom Fuss, der letzte Woche noch geschwollen war, ist überhaupt nichts zu spüren! Nach der letzten Kurve sind all diese Gedanken vergessen.


Ein immer enger werdendes Zuschauerspalier empfängt uns. Der Zielbogen ist schon so nah. Ich setzte zum Endspurt an, und es fühlt sich an wie fliegen! 
100%iges Glück!




47:48,7 Min. / 5:07:25.8 Stunden - 42. AK Rang

Ich kann es kaum glauben! 
Ich hab's wirklich geschafft! 5:07:25.8 - mein 2. bestes Jungfrau-Marathon-Resultat. So ein toller Lauf nach den Turublenzen der letzten Wochen!!!
Doch - es ist wahr! Um meinen Hals baumelt die Medaille! 

Noch nie habe ich mich im Ziel so gut gefühlt. Kein Anflug von Schwindel, flauem Gefühl im Magen oder Kopfweh. 


Am Bier-Stand frage ich nach, wie es Viktor Röthlin ergangen sei. Toll, dass es ihm tatsächlich aufs Podest gereicht hat!

Das alkoholfreie Getränk erfrischt herrlich auf dem Weg zur Gepäckaufbewahrung, und ich fühle mich bald wie wenn nichts gewesen wäre. 
Der einzige Wermutstropfen ist, dass ich vorerst mit mir alleine feiern muss. Wo stecken Andi und Hugo? Wie ist es ihnen wohl ergangen?

Andi kommt mir schon umgezogen von der Dusche entgegen. Ob er eine neue Bestzeit gelaufen sei, muss ich gar nicht fragen - das sieht man ihm an - so sehr strahlt er - 4:41:58,4 - unglaublich!
Es hätte sich einfach so ergeben, fast "mühelos" hätten sich die pro Abschnitt gewonnen Minuten summiert. Die geplanten 4:59 Stunden hat er um ganze 17 Minuten und damit die alte Bestmarke um 4:19 Min. unterboten!



Hugo hat die anvisierten 4:59 ebenfalls erreicht. So gibt es viele Gründe zum Feiern. 

Wir verweilen gemütlich "Jungfrau-Marathon-Garn" spinnend beim Tipi. Ich stille meinen Bärenhunger mit Rösti, den Männern ist mehr nach Kaffee und Apfel-Kuchen.


Die zweistündige Rückfahrt mit dem Zug scheint wie immer unendlich und macht dadurch die vollbrachte Leistung überdeutlich. Es ist eindrücklich, die gelaufene Strecke von hinten aufzurollen und vielen schönen Passagen noch einmal zu begegnen.

Bis wir um halb acht Uhr wieder in Bern ankommen, haben wir genug Zeit, uns bereits auf das nächste gemeinsame Marathon-Abenteuer einzustimmen.   


Jungfrau Marathon
5:07:25.8 Stunden / 7:17,1 Mi./km / Puls 153
+ 1829 hm / 14° schön, Schleierwolken
42. von 188 W45
241. von 950 Frauen

Track http://connect.garmin.com/activity/375654649

Freitag 
4.1 km lockerer Lauf 5:33 Min./km / Puls 122
+/- 40 hm / 18° leicht bedeckt 
Track http://connect.garmin.com/activity/375021409

Donnerstag, 12. September 2013

Schwierige Entscheidung

Mein Körpergefühl reagiert auf den stark verminderten Trainings-Umfang in der Woche vor einem Marathon immer eigenartig und ist nie berauschend. Aber so wenig überzeugend, wie diesmal war das Laufgefühl trotz tollen Werten auf der Uhr noch nie. Starten oder nicht starten - die Frage bleibt offen. Morgen werde ich die Startnummern abholen gehen, und ich hoffe, die Atmosphäre im "Zelt" kann mir die Entscheidung für oder gegen die Teilnahme am Jungfraumarathon erleichtern.

4.1 km Jogging 5:49 Min./km / Puls 118
+/- 30 hm / 13° bedeckt
Track http://connect.garmin.com/activity/374459927

Gestern
8.1 km lockerer Lauf 5:46 Min./km / Puls 119
+/- 95 hm / 15° bedeckt
Track http://connect.garmin.com/activity/374020012