Sonntag, 30. September 2012

Es weht ein anderer Wind!

Die Wellen, welche nur 30 Meter von unserem Womo-Alkoven-Bett an den Strand schäumen, rollen, platschen und tosen wecken uns sehr früh. Puh, immer noch Scirocco! Doch das Thermometer zeigt "nur" noch 16°? 
Der Himmel ist sternenklar, als wir noch vor der Dämmerung zum 32 Kilometer Longrun aufbrechen. Und die Flaggen des Campingplatzes flattern in Richtung Meer. Toll, der Nordwind Tramontana hat den Scirocco besiegt!!! Verschwunden ist der feuchte Dunst, die Luft ist klar und frisch, der angenehme Wind säuselt sanft im Nadelkleid der Pinien und die Hähne verkünden munter das Anbrechen des neuen Tages. 
Die Beine fühlen sich auf den ersten vier Kilometern zum Pinien-Kap hoch noch müde an. Wir haben uns vorgenommen, gemütlich zu diesem langen Lauf zu starten, und wir lassen uns bezaubern vom märchenhaften Anblick des Vollmondes, der genau über dem höchsten Berg, dem Monte Capanne leuchtet. 
Auf dem Kap angekommen sind wir erstaunt über die Anzeige der Pulsuhren. Trotz des Anstiegs sind wir im Schnitt bereits mit 5:40 Min./km unterwegs und unsere Pulswerte sind erfreulich tief. 
Wie von selbst "rollen" wir vom Capo ai pini runter zu den Gärten und Villen von Norsi und zur Hauptstrasse, welche den Hauptort Portoferraio und Porto Azzurro verbindet. Sonntags herrscht zum Glück kaum Verkehr. So können wir fast ungestört und meistens sogar nebeneinader laufend diese fast schnurgeraden und leicht abfallenden vier Kilometer bewältigen. 
Nicht nur wir scheinen durch den Wind-Umschwung neue Energie gewonnen zu haben. Obwohl es Sonntag und frühmorgens ist, sind die Menschen überall geschäftig. Ein Bauer pflügt seinen Acker, und der Seepolizist befreit die Fenster seines Bootes von den dicken Scirocco-Salzgischt-Krusten.
Bei Sonnenaufgang drehen wir eine Runde um das Hafenbecken von Porto Azzurro und biegen an der mit hohen Dattelpalmen bestandenen Promenade in Richtung der tiefrot schimmernden Berge Monte Castello und Cima del Monte ab. 
Unser Weg führt sanft aufwärts durch ein hübsches kultiviertes Tal mit vielen reich bestellten Terrassengärten. Eine einsame Kuh grast festgebunden an einer langen Kette, und die Wachthunde der Bauernhöfe haben uns längstens bemerkt und tun dies lautstark kund.
Auf der von Pinien und feinblättrigen Robinien gesäumten kurvigen Bergstrasse "klettern" wir 100 Höhenmeter bis fast zur Passhöhe bei San Felo. 5:36 Min./km und 133 Durchschnittspuls ist die Zwischenbilanz beim Wendepunkt.
Rasant schnell fliegen unsere Beine auf dem Rückweg nach Porto Azzurro bergab. Auf zwei Kilometern liegt die Pace gar unter 5:00 Min./km. Im Gegensatz zum Longrun vor eine Woche fühlen wir uns einfach grossartig. 
Trotzdem legen wir nach der zweiten Ehrenrunde um den Hafen in der Beach Bar eine kurze Pause ein, um einen halben Liter eiskaltes Wasser zu stürzen. Im Fernseher läuft die Wetterprognose. Oh nein, der Wind soll schon am Mittag wieder aus Süden wehen! Während wir die letzten 10 Kilometer unter die Füsse nehmen herrscht jedoch noch Windstille. Die Sonne guckt hervor und wir lassen uns nicht stören vom langsam wieder aufziehenden Dunst.
Der steile zwei Kilometer lange Anstieg zum Pinien-Kap schreckt uns heute auch nicht. Und auf dem Weg runter zur Ebene von Lacona rutscht unsere Durchschnitts-Pace gar unter 5:30 Min./km, obwohl wir uns zum etwas lockeren Auslaufen mahnen. Wie schön, dass es diese Woche auch auf dem 102. Wochenkilometer noch so genial gut "läuft". Und hoffentlich ist das leichte Kratzen im Hals, das Andi spürt, nichts Ernstes...

32 km Longrun 5:28 Min./km / Puls 136
+/- 270 m / 16° Nordwind (Tramontana) bis Windstille
Track http://connect.garmin.com/activity/228293203

Samstag, 29. September 2012

Lieblings-Training?

Auf dieses Training hatte ich mich schon vor der Abreise in die Ferien gefreut! 15 Kilometer lang im Lieblings-Tempo über die Insel rennen zu können... das war letztes Jahr einfach herrlich gewesen!
Gestern hatte es unser Mitteltempo-Lauf über das Capo ai Pini und zurück jedoch besonders in sich. Der Scirocco will einfach nicht nachlassen, und die mit Feuchtigkeit und Salz gestättigte, drückend warme Luft ist eine Herausforderung zum Trainieren. Mein Kreislauf reagiert darauf sehr sensibel. 
Die geforderte Pace zu laufen gelang uns zwar. Doch der Puls lag dabei deutlich höher als normalerweise. Und die Muskeln fühlten sich darauf heissgelaufen an.
Selten wünsche ich mir ein Training möglichst schnell vorbei. Doch gestern waren die schönsten Meter die letzten 100 des Auslaufens, die uns ins Strandrestaurant Miramar zum wohlverdienten Kaffee samt Cornetto führten...

15 km Mitteltempo 1:12:05 / 4:48.3 Min./km / Puls 156.3
in 20.2 km / 5:08 Min./km / Puls 147
+/- 120 hm / 21° Scirocco und sehr feucht
Track http://connect.garmin.com/activity/227645973

Das Wetter spielt immer verrückter. Gestern Abend zeigte das Thermometer bei Nebel sogar 28° an, und heute morgen immer noch feuchte, windige 24°. 

Während wir unter dicken Regentropfen aufs Kap und zurück joggten, beschlossen wir, dass wir uns morgen dem Scirocco fügen werden. 
Wir nehmen uns vor den 32 Kilometer Longrun pulsgesteuert mit langsamerer Pace als geplant zu absolvieren.

8.8 km Jogging 5:54 Min./km / Puls 119
+/- 55 hm / 24° Scirocco und sehr sehr feucht
Track http://connect.garmin.com/activity/228016670

Donnerstag, 27. September 2012

Doch kein Ruhetag

Wir fliehen vor dem unaufhörlich wehenden Südwind und den hohen Wellen auf die Nordseite der Insel ins Bergdorf Marciana. Unsere Teenager haben vorgeschlagen, wandern zu gehen. 
Obwohl der Himmel grau ist und es leicht regnet, wollen wir einen uns bisher unbekannten Weg erkunden. 
Auf einem sandigen Trail marschieren wir durch die Macchia, vorbei an eindrücklichen Tafoni-Felsformationen und tauchen später in dichte Kastanienwälder ein, welche auf uralten Terrassen wachsen. Unser Ziel ist die malerische Bucht von Sant' Andrea mit ihrem türkisblauen Wasser und den von Wind und Wellen rundgeschliffenen Felsen. Auf einem steilen Treppenweg gelangen wir hinunter ins Dorf.
Das Meer ist hier auch zu bewegt zum Baden, und die Jungmannschaft ist des Wanderns müde. 
Nicht ungern lassen wir uns zu einem kleinen Bergläufchen überreden, um das Wohnmobil zu holen. Steile Serpentinen führen vom ehemaligen Fischerdorf zur Küstenstrasse hoch. Nach 12 Minuten haben wir bereits 150 Höhenmeter bewältigt. 
Nur noch sanft steigt die heute kaum befahrene Strasse an, welche um den ganzen Inselwesten bzw. zurück in die Bergdörfer im Norden führt. Wir lassen uns vom Regen berieseln und erfrischen und sammeln im nassen Kastanienwald weitere Duft-Erlebnisse. Wir geniessen die luftige Aussicht, den Blick bergan zu den eigentümlichen Felsen und staunen beim Zurückschauen, wie leicht wir an Höhe gewinnen. Bereits nach einer Dreiviertelstunde sind wir zurück am Ausgangspunkt unserer fast zweistündigen Wanderung.

6.5 km Wanderung Marciana - Sant' Andrea (Weg 13)
1:55 / + 190 - 560 hm
Track http://connect.garmin.com/activity/227433682

6.9 km Berg-Jogging 6:42 Min./km / Puls 147
+ 330 hm / 22°
Track http://connect.garmin.com/activity/227433689

Mittwoch, 26. September 2012

Der Scirocco ist zurück...

Der feucht heisse Südwind gibt sich nicht geschlagen. 23° zeigt das Thermometer, als wir um sieben Uhr in die Joggingschuhe schlüpfen. Das Meer ist aufgewühlter als an den Tagen zuvor, und die tief fliegenden Wolken sind wieder da. 
Unsere Shirts kleben bereits auf dem zweiten Kilometer schweissnass auf der Haut, obwohl wir "nur" locker über's Capo ai Pini laufen. Doch langsam gewöhnen wir uns an dieses Waschküchenklima mit 85 % Luftfeuchtigkeit und müssen sogar bergauf auf die Bremse treten.
Bevor es richtig grau und so feucht wird, dass die Strasse rutschig wird, zaubert das Südwind-Wetter auf jeden Fall eine zauberhafte Sonnenaufgangs-Stimmung über Capoliveri.

13.3 km Dauerlauf locker 5:37 Min./km / Puls 126
+/- 110 hm / 23° Scirocco feuchtheiss
Track http://connect.garmin.com/activity/227134315

Dienstag, 25. September 2012

4 x 1000 m in Lacona

Wir sind kaum ein paar Meter weit gelaufen, da steigt uns ein überaus verlockender Duft in die Nasen. Diesmal stammt er nicht von den Gewächsen der Insel. Nein, es riecht verführerisch nach frisch gebackenen Cornetti. Doppelt freuen wir uns darüber.
Wir beschliessen, uns diese kalorienreiche Köstlichkeiten als Belohnung nach dem Training zu gönnen. Und die Duftwolke macht deutlich, dass der Wind gedreht hat. Er weht nun von den Bergen her. Es ist deutlich kühler geworden, die Scirocco-Dunstwolken sind weg und der Himmel wölbt sich stahlblau über uns.
Zum Einlaufen drehen wir eine Runde ums Dorf Lacona. Und ich bin froh, dass ich meine verletzte Zehe überhaupt nicht spüre (gestern war ich in den Tewa Sandalen über meine eigenen Füsse gestolpert und hatte dabei den Grosszehennagel weggerissen - Autsch...).
Nun steht dem 4 x 1000 Meter Intervall überhaupt nichts mehr im Weg. Erstaunlich leichtfüssig laufen wir zweimal die fast topfebene Strand-Strasse hin und her. Und nach einer weiteren Lacona-Runde machen wir es uns mit Blick auf's Meer bei Kaffee und "Gipfeli" gemütlich.  

4 x 1000 m / 4:06 Min./km / Puls 158
1. 1000 m - 4:o7 Min./km / Puls 154
2. 1000 m - 4:08 Min./km / Puls 158
3. 1000 m - 4:07 Min./km / Puls 159
4. 1000 m - 4:01 Min./km / Puls 161 
in 13.3 km / 5:22 Min./km / Puls 135 / 18°
Track http://connect.garmin.com/activity/226719432

Montag, 24. September 2012

Aromatherapie

Das unterwegs Sein auf Elba könnte man als Aromatherapie bezeichnen. Unheimlich intensiv riecht es auf dieser Insel nach den Gewürzsträuchern und -kräutern oder dem Harz der Pinien, salziger Meeresluft und erzreicher Erde. 
Ob es diese belebenden Riech-Erlebnisse sind, oder der Hauch von Morgenrot, der etwas besseres Wetter ankündigt. Mein hoher Puls und das schlechte Körpergefühl sind heute Morgen wie weggeblasen. Jetzt bin ich wirklich auf der Insel gelandet und das Trainieren macht riesig Spass! 

8.7 km Jogging 5:57 Min./km / Puls 119
+/- 55 hm / 23° Scirocco feuchtheiss
Track http://connect.garmin.com/activity/226719427

Sonntag, 23. September 2012

Elba-Longrun-Syndrom

Unermüdlich hatten in der Nacht die Wellen getost, und der Scirocco hat salzige Gischt durch den Campingplatz getrieben. Wir sind froh, dass wir nach der Tropennacht aufstehen dürfen.
Das Meer ist immer noch sehr aufgewühlt, sieht bleigrau aus, und dicke, schwere tief fliegende schwarze Wolken stauen sich an den Berghängen, als wir zu unserem Longrun starten. 

Heute gibt es auf dem Capo ai Pini keinen Sonnenaufgang zu bewundern. Es fallen ein paar wenige Regentropfen. Nass werden wir jedoch nicht davon, sondern vom Schweiss, den uns die Scirocco-Schwüle aus den Poren treibt. Es ist unglaublich drückend feuchtheiss!
Trotzdem erlebt Andi ein nicht enden wollendes Flow-Gefühl, während ich mich eher schwer tue. Meine Herzfrequenz ist ungewöhnlich hoch, das Körpergefühl eigenartig, und die Beine wollen dennoch nicht so langsam laufen wie geplant?!?
Trotz der unterschiedlichen Stimmung finden wir einen guten Lauf-Rhythmus und schaffen den langen Streifzug bis weit auf die Ostseite der Insel. Nach der Überquerung des Kaps laufen wir eine Weile auf der Hauptstrasse, welche sonntags früh zum Glück nicht stark befahren ist. Wir durchqueren die fruchtbare Ebene am Fusse von Capoliveri, absolvieren in Porto Azzurro eine Runde um den Yacht- und Fischerhafen und machen gar einen kleinen Abstecher auf die Pass-Strasse nach Rio nell' Elba, bevor wir uns nach 15 Kilometern auf den Rückweg machen.
In Porto Azzurro gönnen wir uns eine kurze Pause und kaufen in der Beach Bar am Dorfausgang zwei Flaschen herrlich kühles Wasser. 
Nach der Erfrischung "läuft" es sogleich viel besser. Nun schiebt uns ja auch der Rückenwind eine Weile. An der Kreuzung nach Capoliveri verabschieden wir vier Oldtimer-Carrera-Porsche auf ihrem Weg zur Fähre. Und die zweite Überquerung des 55 m hohen Capo ai Pini ist mit dem Gedanken an das darauf folgende bergab "Rollen" auch zu schaffen. Bald können wir auf der Ebene von Lacona auslaufen, und ich habe die Gewissheit auch den 99. und 100. Wochenkilometer bewältigen zu können. 
Was ist nur die Ursache für mein Elba-Longrun-Syndrom, das ich bereits letztes Jahr und auch schon bei früheren ersten langen Läufen auf der Insel erlebt hatte - diesen ungewöhnlich hohen Puls? Wärme-Untauglichkeit, Reisemüdigkeit, Akklimatisations-Schwierigkeiten???

30.0 km Longrun 5:35 Min./km / Puls 147
+/- 245 hm / 24° Scirocco und feuchtheiss
Track http://connect.garmin.com/activity/226719422

Samstag, 22. September 2012

Joggen auf der Rallye-Strecke

Elba empfängt uns mit grauen, feuchten Scirocco-Wolken. Genau als wir über Mittag die Laufschuhe schnüren, um uns nach der langen Fahrt die Beine zu vertreten, guckt die Sonne einen Moment hervor. Bei 26° und Waschküchen-Klima machen wir uns auf zum Capo ai Pini. Und wir haben das Gefühl, Bleischuhe an den Füssen zu tragen. Das kurze Jogging fühlt sich sehr anstrengend an, und der Schweiss fliesst in Strömen. Aber es ist wunderschön, der altbekannten Trainings-Strecke Hallo zu sagen und ein paar tiefe Atemzüge harzigen Pinienduft zu geniessen.
Auf unserem Hitzelauf bieten uns die Oldtimer des "Rallye Storico" zusätzliche Ablenkung. Hochgetunt und katalysatorlos jagen sie über das Kap, sie erfüllen die Luft allerdings mit weniger feinen Düften!
Hoffentlich reicht ein knapper Tag zum Aklimatisieren. Morgen stehen 30 km auf dem Programm...

8.9 km Jogging 5:53 Min./km 
Puls 125 / +/ 55 hm 
26° / sehr feucht bei Scirocco
Track http://connect.garmin.com/activity/225556180

Freitag, 21. September 2012

Reif für die Insel

Mit einem Lieblings-Tempo-Training sind wir in den ersten Ferientag gestartet. Und es "lief" einfach wunderbar. 
Jetzt ist das Wohnmobil reisefertig, und wir sind buchstäblich reif für die Insel. Wir stecken mitten in drei sehr umfangreichen Aufbauwochen (diese und die nächsten beiden Wochen möchte ich je ca. 100 km laufen). Es ist genial, dass diese intensive Trainingszeit genau in die Herbstferien fällt. Wir freuen uns auf's laufend und bikend unterwegs Sein auf Elba und das "dolce far niente".

10 km Mitteltempo 47:55 Min. / 4:47.5 Min./km / Puls 144.5 
in 15.1 km 5:03 Min./km / Puls 135 / +/- 100 hm / 13°
Track http://connect.garmin.com/activity/225131031

Donnerstag, 20. September 2012

"Zu kurzes" Training

Wortwörtlich unbeschreiblich gut fühlte sich das Laufen an diesem traumhaft schönen, angenehm kühlen Herbsttag an! Am liebsten wäre ich einfach kilometerweit weiter gelaufen...

11.1 km Dauerlauf locker 5:36 Min./km / Puls 116
+/- 100 hm / 14°
Track http://connect.garmin.com/activity/224823844

Mittwoch, 19. September 2012

Jogging unter faszinierenden Wolken

Laufen hat so viele schöne Facetten! Gestern war's Präzisionsarbeit, und heute hab ich einfach die Seele baumeln lassen, über die faszinierenden Wolkenbilder gestaunt und versucht, die Milane und Mäusebussarde zu zählen, welche über den frisch gepflügten Feldern jagten. An einer Stelle waren es mindestens 13!

9.8 km Jogging 5:53 Min./km / Puls 115
+/- 115 hm / 17°
Track http://connect.garmin.com/activity/224550527

Dienstag, 18. September 2012

4 x 3000 m Marathon-Tempo Intervalle

War das ein traumhaft schöner Morgen zum Trainieren! Ich liebe den Herbst mit seinen angenehmen Temperaturen, den kühlenden Boden-Nebelchen und den farbenfrohen Sonnenaufgängen! Solches Wetter würde ich gerne für den Tenero-Marathon bestellen...
Dass ich bei diesen optimalen Bedingungen heute meine besten je absolvierten Marathon-Tempo-Intervalle gelaufen bin, beruht jedoch auf einem Rechenfehler. 

Meine Trainingsstrecke ist sehr "bucklig", und ich laufe bei Tempo-Trainings sehr unterschiedliche Kilometerzeiten (heute zwischen 4:56 und 4:21 Min./km). 
Deshalb merke ich mir nach jedem Tempo-Kilometer die Differenz zur vorgenommenen Pace (4:37 Min./km). Bis zum Ende des Trainings kann ich so im Schnitt die richtige Geschwindigkeit erreichen.
Der Einfachheit halber beschloss ich heute mit der Differenz zu 4:40 Min./km zu rechnen. Dazu hätte ich nach und nach 36 Sekunden Vorsprung herauslaufen müssen (12 x 3 Sekunden weniger als 4:40 Min./km). 
Schon nach einem Tempo-Kilometer hatte ich das vergessen. Ich ermittelte jeweils die Abweichung zu 4:37 und versuchte trotzdem noch 36 Bonus-Sekunden zusammen zu kratzen...
Der Puls erreichte die gesetzte Grenze von 152-153 nie, so schöpfte ich keinen Verdacht, obwohl sich mein Laufstil hügelaufwärts etwas eckig anfühlte. Ich schrieb dies dem nur gut eine Woche zurückliegenden Jungfrau-Marathon zu und war zuhause völlig überrascht über dieses schnelle Training. Was sind schon 3 Sekunden/km kann man denken. Auf die Länge eines Marathons summieren sich diese auf über 2 Minuten...
Genauso wie ich es geniesse, beim Joggen oder auf Longruns einfach durch die Landschaft zu streifen, so liebe ich das Messen und Rechnen bei den Tempotrainings und im Wettkampf (das könnte mit meinem ersten Beruf (Laborantin) zu tun haben). 
Die Rechen-Fähigkeit ist für uns übrigens ein bewährter Indikator, ob wir unterwegs gut versorgt sind. Sobald wir 2 und 2 nicht mehr zusammenzählen können, wird es höchste Zeit, ein Gel hervorzunehmen. Vielleicht hätte ich heute erst nach dem Frühstück zu meinen Intervallen starten sollen...

4 x 3000 m Marathon-Tempo / 4:34.4 Min./km / Puls 148.7 
+/- 75 hm
1. 3000 m - 14:01 Min. / 4:40.2 Min./km / Puls 144
2. 3000 m - 13:25 Min. / 4:28.5 Min./km / Puls 150 
3. 3000 m - 13:53 Min. / 4:37.6 Min./km / Puls 150
4. 3000 m - 13:32 Min. / 4:30.7 Min./km / Puls 150
in 17.1 km / 4:59 Min./km / Puls 139 / 12° 
+/- 110 hm
Track http://connect.garmin.com/activity/224136859

Gestern
8.1 km Jogging / 5:56 Min./km / Puls 116
Track http://connect.garmin.com/activity/223822600

Sonntag, 16. September 2012

Marathon-Konferenz-Longrun

Nach den Erlebnis-Marathons fühlen wir uns jeweils schnell wieder fit und tatendurstig. Hugo geht es nach dem Jungfrau Marathon genauso. Deshalb trafen wir uns heute spontan zu einem Marathon-Konferenz-Longrun, um bereits die übernächste Marathon-Reise zu planen.
Eifrig diskutierend liefen wir an diesem traumhaft klaren und angenehm kühlen Herbstmorgen los. Ein Ballon schwebte über der farbenprächtigen Landschaft, die Berner Alpen, in denen wir letzte Woche unterwegs gewesen waren, schienen zum Greifen nah, und feine Nebelschwaden zauberten in den Wäldern ein faszinierendes Lichtspiel.
Wir liessen uns von unserer Marathon-Diskussion zu etwas gar schnellem Laufen verleiten. Bis zur Streckenhälfte ging es ja auch oft hügelabwärts und wir fühlten uns prächtig, vorfreudig und leichtfüssig.
Auf dem Rückweg verflogen die Kilometer nicht mehr ganz so mühelos, auch ein Genuss-Marathon fordert seinen Tribut...
Nun ist der erste Marathon in 2013 bereits gebucht. Mit klaren Zielen trainiert es sich einfach leichter und Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude!

Dazu ist mir ein Spruch über den Weg glaufen - 
Entschlossenheit...
Wer immer ein Werk vorhat, das seine ganze Seele beschäftigt, bleibt im Herzen jung.

25.3 km Longrun 5:27 Min./km / Puls 133 / 
+/- 205 hm / 8 - 16°
Track http://connect.garmin.com/activity/223203179

Gestern 
Die Saucony Mirage II Laufschuhe sind entlastet. Zum ersten Mal seit ich Rückenschmerzen gehabt hatte, absolvierte ich die Samstags-Jogging-Runde wieder mit diesen Schuhen. Und sie verursachten nicht das geringste Zwicken oder Muskel-Spannen.  

7.1 km Jogging 5:53 Min./km / Puls 116 / 16°
Track http://connect.garmin.com/activity/222780171

Freitag, 14. September 2012

Langsam wieder länger unterwegs...

...und nur ein bisschen schnell

Am Montag hatte ich einen Termin in Bern. Nur nicht Zug fahren, dachte ich nach drei Fahrten in ölsardinenbüchsen-engen WAB-Wagons von der Kleinen Scheidegg nach Interlaken oder umgekehrt. Und der mehrstündige Stau auf der Autobahn, den wir auf dem Heimweg vom Jungfrau-Marathon erlebt hatten, bewegte mich dazu, das Auto für die Fahrt in die Stadt stehen zu lassen. 
Lieber spürte ich den Fahrtwind in den Haaren und radelte mit dem Bike dorthin und wieder zurück. Es tat ganz gut die Beine auf diese Weise durchzubewegen.

30 km per Bike nach Bern und zurück / 20.1 km/h / Puls 109
Track http://connect.garmin.com/activity/221210055


Dienstags konnte ich mir eine kurze Jogging-Runde nicht verkneifen. Ich war erstaunt, dass sich bereits das Loslaufen anfühlte, als ob ich leicht und locker hüpfen würde, wie ein Gummiball. Kein bisschen Berglauf-Muskelkater war zu spüren.
Da das Thermometer über Mittag noch einmal auf sommerliche 25° kletterte, kam ich noch einmal tüchtig ins Schwitzen.


7 km Jogging 5:53 Min./km / Puls 121 / 25°
Track http://connect.garmin.com/activity/221472811 


Fürs lätti runners Training mussten wir uns am Mittwoch warm anziehen. Bei nur noch 10° und leichtem Regen versuchten wir bei einem sanften Crescendo-Lauf das optimale Wettkampf-Tempo für die zukünftigen Greifensee-Halbmarathon-Teilnehmerinnen zu finden.

lätti runners - Crescendo Training
(Einlaufen - Dauerlauf locker - Halbmarathon-Tempo - Endspurt - Auslaufen)

7.6 km 6:23 Min./km / Puls 102 / 10°
Track http://connect.garmin.com/activity/222201475


Es ist wunderschön, der Flut von Eindrücken vom Jungfrau-Marathon-Wochenende nachzuhängen. Es wäre genial, wenn wir Mitte November noch einmal so glücklich ins Ziel eines Marathons laufen könnten. Die Motivation mit dem Aufbau-Training weiterzufahren ist riesig. Und das Laufen fühlt sich so gut an, dass wir uns gestern auf der Suche nach neuen Wegen durch den Gänsemooswald zügeln mussten. Es war ein Traum an diesem herrlich kühlen Abend im "Flow" unterwegs zu sein!

12.1 km Dauerlauf locker 5:40 Min./km / Puls 118 / +/- 95 hm / 16°  
Track http://connect.garmin.com/activity/222294648


Das Rennen fühlte sich auch heute fast an wie Fliegen. Nach vier Kilometern gewährten wir uns einen kleinen Mitteltempo Block. Und wir waren uns wieder einmal einig: dieses Tempo ist einfach genial! 
Wir registrierten beide extrem tiefe Pulswerte. Und liessen uns dennoch nicht verleiten, (viel) schneller zu laufen als geplant. Ich denke, dass es sich bei dieser tiefen Herzfrequenz um einen "Schonpuls" handelt, der noch von der grossen Belastung vom letzten Wochenende zeugt.
Und ich bin fast sicher, dass wir in den nächsten Tagen doch nicht um ein bisschen Jungfrau-Marathon-Müdigkeit herum kommen werden...

4 km Mitteltempo / 4:46 Min./km / Puls 137
in 10.1 km / 5:21 Min./km / Puls 121 / +/- 75 hm / 18°
Track http://connect.garmin.com/activity/222603157

Samstag, 8. September 2012

Jungfrau Marathon 2012

Zum 20. Geburtstag des Jungfrau Marathon werden in Interlaken 8000 Läufer zu zwei Austragungen erwartet, mehr als jemals zuvor an einem Berg-Marathon. Gleichzeitig findet die Langdistanz Berglauf Weltmeisterschaft statt. Die Stadt zwischen den Seen hat sich richtig fein gemacht. Auf der Höhenmatte steht "Das Zelt". Es bietet den würdigen Rahmen für Ehrungen, Rahmenprogramm sowie die Pasta-Party, und die Startnummernausgabe und Läufermesse sind darin untergebracht. Von weitem guckt die schneebedeckte Jungfrau dem bunten Treiben zu.
Wir wollen das Wochenende auskosten und quartieren uns mit dem Wohnmobil vor Ort ein. Die Sonne scheint am Freitag Abend hochsommerlich warm, und der Schweiss rinnt, als wir im Zelt unsere Startnummern holen und uns mit neuen On-Laufschuhen, Socken, Shirt und Power-Gels eindecken. 

Nachdem wir Viktor Röthlin als Athletenbotschafter beim Charity Run von "Right To Play" laufen gesehen haben, treffen wir uns mit den run4fun-Marathon-Kollegen Esther und Peter bei Beat und Silvia zum Pasta- und Fisch-Kalorien-Bunkern. Früh sinken wir voller Vorfreude auf den grossen Tag in unsere "Womo"-Betten.
Am Morgen erwache ich mit einer Jahrhundert-Migräne. Mir ist schwindlig. Das Marathon-Frühstück will nicht rutschen. Beim Essen wird mir gar noch schlecht. Ich fühle mich, als ob ich seekrank wäre, der Blutdruck scheint im Keller zu sein, und ich kann mir nicht vorstellen auch nur einen einzigen Kilometer zu rennen. Ich hab sehr selten Kopfschmerzen - warum ausgerechnet heute?!?

Um acht fahren wir nach Interlaken. In der Drogerie am Bahnhof frage ich, ob es ein sportverträgliches Mittel gegen Migräne mit Übelkeit gäbe und werde mit Travell-Kaugummi gegen Reisekrankheit und Dafalgan-Kautabletten eingedeckt. Es widerstrebt mir sehr, mit Medikamenten einen Lauf anzutreten. Ich habe das bisher noch nie gemacht. Aber ohne Chemie-Keule sehe ich keine Möglichkeit zu starten. 
Wie versprochen lindert der Kaugummi die Übelkeit sofort. Wir geben unser Gepäck ab und versuchen ein paar Schritte einzulaufen. Dabei scheint der Boden unter meinen Füssen nachzugeben. 

Andi rät mir von einem Start ab. Er meint, ich solle die Startnummer auf den zweiten Marathon am Sonntag umschreiben lassen. Soll nun nichts werden aus unserem gemeinsamen Erlebnis-Berg-Marathon, zu dem wir uns schon vor einem Jahr angemeldet hatten? Wir stellen uns in die hintere Hälte des Startfelds. Ich möchte unbedingt dabei sein und wünsche mir gleichzeitig, mich irgendwo in Ruhe hinlegen zu können...
Vor lauter Überlegen, was ich nun tun soll, habe ich gar keine Zeit vor dem Start kribblig zu werden. Schon erklingen feierliche Alphorn-Klänge, Viktor Röthlin wird als Ehrenstarter angekündigt und schliesslich lauschen wir still der Landeshymne. Noch eine Minute bis zum Start. Andi stellt fest, dass ich blutleere Lippen habe. Soll ich nun mitlaufen oder nicht? Ich muss und will es versuchen!  

Der Startschuss fällt. Die Masse setzt sich jubelnd langsam in Bewegung. Kurz vor dem Startbogen  könnten wir zu traben beginnen. Wir überschreiten die Zeitmessmatte, es gibt kein Zurück mehr - wir sind unterwegs!
Erstaunlicherweise tragen mich meine Füsse zuverlässig den Höheweg entlang und der tosende Applaus des Publikums beflügelt. Das Schwindelgefühl ist weg, und mein Puls bleibt ganz ruhig. Als wir zur Umrundung der Höhenmatte abbiegen, müssen wir bereits bremsen.
Wir haben uns vorgenommen die flachen Abschnitte in unserem Longrun-Tempo von 5:40 Min./km zurückzulegen und den ganzen Marathon höchstens knapp mit Mitteltempo-Durchschnittspuls (unter 148) zu bewältigen. Letztes Jahr waren wir so nach 5:21 Stunden ins Ziel gekommen, und für heute hatten wir uns 5:18 vorgenommen. Doch ich kann mir noch nicht vorstellen, es bis auf die Kleine Scheidegg zu schaffen...


Der Jungfrau-Marathon ist unglaublich abwechslungsreich, ein gigantisches Feuerwerk für alle Sinne. Die eindrücklichen Bilder der Läufer vor der atemberaubenden Bergkulisse von Eiger, Mönch, Jungfrau und Silberhorn sind weltberühmt. Für meine 5. Teilnahme hatte ich mir ausgedacht, einmal besonders darauf zu achten, was es bei diesem Marathon zu hören gibt.
Noch sind meine Antennen nach innen gerichtet. Ich bin sehr überrascht, wie gut sich das Laufen anfühlt, die Werte auf der Pulsuhr stimmen (5:36 Min./km mit 121 Durchschnittspuls auf den ersten drei Kilometern) und die Kopfschmerzen werden langsam erträglicher.
Als wir zum zweiten Mal auf die Startgerade einbiegen, nehme ich optimistisch den Fotoapparat hervor.

Die Zuschauer feiern uns mit unermüdlichem Applaus, es wird heftig auf die Plakatwände getrommelt, und Ratschen und Glocken heben den Geräuschpegel weiter an. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, während wir beim Bahnhof Ost endgültig auf die Strecke und bergwärts geschickt werden. Ich bin so glücklich mit dabei zu sein, und es läuft doch gut!


Auf dem Weg nach Bönigen wird es ruhiger. Wir bewältigen bei der Autobahn-Unterführung die ersten Höhenmeter. Beim Verpflegungsposten Nummer eins nehmen wir vom letzten Tisch einen Becher Wasser, um unsere Schirmmützen nass zu machen. Die Morgensonne hat bereits grosse Kraft, und es ist uns schon recht warm geworden.

Es geht über die rauschende Lütschine nach Bönigen hinein und wir machen einen kurzen Abstecher zum türkisblauen  Brienzersee. Ich freue mich auf die Trychlergruppe, welche jedes Jahr am Dorfausgang steht. Das überwältigend intensive Glockengeläut ist bis tief in die Brust zu spüren und versetzt uns einen Energieschub. Die ersten Kilometer verfliegen unglaublich schnell. 


Eine lange Gerade führt uns dem Flugplatz entlang. Auf halbem Weg nach Wilderswil schluckt eine Holzbrücke mit markanter Höhenmarkierung den Läuferstrom. Es sieht fast so aus, als wolle sie uns mit giftgrünen Zähnen bewehrt in ihrem dunkeln Rachen verschlingen. Die Brücke lässt uns aber unbehelligt über ihren Holzboden trippeln und spuckt uns auf der anderen Seite in den willkommenen Schatten aus. Das Sprudeln der Lütschine, der wir nun direkt folgen, wirkt zusätzlich kühlend. Wir erreichen die 10 Kilometer Marke bereits nach 55:43 Minuten (Pace 5:34 Min./km).


Die Zuschauer stehen Spalier und feuern uns eifrig an, während wir in Wilderswil auf Kopfsteinpflaster zu einer weiteren sehenswerten Holzbrücke hochlaufen. Ab hier beginnt das Höhenmeter-Sammeln endgültig. Eine Gruppe von Trommlern heizt uns hinter der Brücke tüchtig ein, und wir nehmen den ersten happigen Anstieg nach Gsteigwiler hoch beschwingt unter die Füsse.


Wir verlangsamen auf Jogging-Tempo und gewinnen trotzdem eindrücklich schnell an Höhe. Nur 10 Minuten später sind 1.6 Kilometer und 65 Höhenmeter bewältigt. Und die Einwohner von Gsteigwiler nehmen uns mit Festlaune in Empfang. 
In der Ferne sind bereits die Schneeberge zu sehen. Doch vorerst zieht uns der plätschernde Dorfbrunnen an. Wir tauchen unsere Mützen und meinen Schwamm ins kühle Wasser, erfrischen uns gründlich, und ich kühle meinen immer noch leicht schmerzenden Kopf. 
Am Dorfausgang spielt eine Steel-Band fetzigen Blues.

Kurz darauf gibt der unendliche Marathoni-Tatzelwurm wieder den Ton an. Der wohlklingende Rhythmus von Läuferfüssen, welche auf der staubigen Strasse leicht bergab Zweilütschinen entgegen "fliegen", tönt auch wie Musik in unseren Ohren. Auf diesem Abschnitt läuft es sich leicht. Ich könnte jubeln vor Freude. Die Lütschine glitzert wie ein silbernes Band, es duftet nach frischem Heu. Die Sonne steht schon hoch am Himmel und taucht das rasch enger werdende Tal in intensive Farben. Wir kneifen die Augen zusammen, denn Staub liegt in der Luft, und das Licht ist sehr grell. Der Hochsommer meldet sich noch einmal mit voller Kraft zurück. 


Den Bahnhof Zweilütschinen erreichen wir eineinhalb Minuten früher als geplant. Während wir über eine Wiese geführt werden, nehmen wir uns vor, die restlichen knapp fünf Kilometer nach Lauterbrunnen, auf denen es 150 Höhenmeter zu überwinden gilt, etwas gemütlicher zurückzulegen. Wir nehmen uns Zeit, die Wasserflaschen neu zu füllen und traben dann im Jogging-Tempo die Schotterpiste hinan. 
Unsere stetige Begleiterin, die milchig weisse Lütschine tost hier als Wildwasser zwischen mächtigen Felsbrocken hindurch oder rauscht über grosse Stufen talwärts. Es ist herrlich kühl und feucht an ihrem Ufer. Der Läuferstrom fliesst hier besser als in anderen Jahren. Als der Weg zum engen, mit Geländer gesichertem Trail über dem Fluss wird, geraten wir keinen Moment ins Stocken.


Auf der anderen Talseite rollt ein Zug langsam mit quietschenden Rädern bergan. Er ist voller Zuschauer und Begleitpersonen, welche aus den Fenstern lehnen, Fahnen schwenken, mit Glocken bimmeln und uns Läufer lauthals anfeuern. Wir winken fröhlich zurück und nehmen die steile Kurve bei Kilometer 18 in Steinhalten mit Anlauf. Immer wieder schweift mein Blick hoch zum eindrücklichen Silberhorn mit seinem makellos glatten, weissen Schneekleid.

Bei Elektrizitätswerk müssen wir den Kopf einziehen, damit wir durch den Fussgänger-Tunnel passen. Und gleich darauf überqueren wir die schäumende Lütschine auf den etwas altersschwachen Holzplanken der geschwungenen Lochbrücke, die unter dem Getrappel der vielen Dutzend Füsse in Schwingung gerät.

Bei Kilometer 19 wechseln wir noch einmal auf die andere Fluss-Seite. Die rollende Zug-Tribüne fährt hoch über uns in den Bahnhof von Lauterbrunnen ein, direkt über unsern Köpfen knattert der Fernseh-Helikopter und schwach ist bereits die Speakerin zu hören.
Mir fällt auf, dass ich bis hierhin noch gar nichts gegessen habe. Wasser und Salz hatte ich hingegen regelmäsig und reichlich zu mir genommen. Ich wage einen ersten Schluck aus dem mitgetragenen Fläschchen mit den drei verdünnten Winforce-Gels zu nehmen und hoffe, dass der Magen ruhig bleibt.


Bei der ARA und entlang des Parkhauses erwartet uns eine saftige Steigung hinauf zum Dorf. In früheren Jahren hatte mich diese zum Gehen gezwungen. Diesmal traben wir locker hoch, und es ist eine Wohltat, unter der fest montierten Gardena-Dusche hindurch zu laufen. Die wenigen Zuschauer, die sich an diesem anspruchsvollen Strecken-Abschnitt positioniert haben, sprechen uns motivierend direkt mit unseren Namen an, die auf der Startnummer zu lesen sind. So lässt sich auch die letzte Kurve auf die Hauptstrasse hoch gut schaffen.


Die Feststimmung in Lauterbrunnen wirkt wie ein Sog. Wir spüren kaum, dass es weiter aufwärts geht. Die Speakerin gratuliert uns allen zur bewältigten ersten Streckenhälfte, lautes Trychel-Geläut verbreitet Alpaufzugstimmung, und das Publikum spendet grosszügigen Applaus. Über der Strasse und an den Hausfassaden hängen Schweizer- und Berner-Fahnen sowie Jungfrau-Marathon- und Lauterbrunnen-Flaggen. Und zur rechten Seite des engen Trogtales nieselt der zauberhafte Staubbachfall fast 300 Meter über eine Felswand in die Tiefe.


Abwärts und dorfauswärts gehts nun diesem faszinierenden Naturschauspiel entgegen, das Goethe zum Gedicht "Gesang der Geister über den Wassern" inspirierte. Wir schnappen uns an der Verpflegungsstelle zwei triefende Schwämme und erreichen die Halbmarathon-Marke nach 2:03:31 Stunden. 
Es ist Zeit Zwischenbilanz zu ziehen. Wir sind 2:40 Minuten schneller unterwegs als geplant. Letztes Jahr kamen wir mit höheren Durchschnittspuls-Werten vier Minuten später hier vorbei. Trotzdem nehmen wir uns erneut vor, uns zu mässigen und nicht noch mehr Zeit gut zu machen. Obwohl wir nun einen Halbmarathon geschafft haben, ist noch lange nicht die halbe Laufzeit bewältigt und schon gar nicht die Hälfte der Höhenmeter. Wir haben erst deren 300 auf dem Konto, und 1'500 werden noch folgen!


Der Blick die Felswand auf der linken Talseite hoch flösst  Respekt ein. Weit oberhalb der Steilwand werden wir auf dem 36. Kilometer in etwa eineinhalb Stunden unterwegs sein! 
Doch jetzt können wir uns einen Moment entspannen und Atem schöpfen. Die Fünf-Kilometer-Schlaufe durchs Lauterbrunnental führt mehrheitlich sanft bergab, noch dazu zu einem Grossteil im Schatten. Wir überqueren abermals die Lütschine und den Trümmelbach. Dann schickt uns eine weitere Steelband talauswärts. Die exotischen Klänge der Steel Pans passen zu der steigenden Hochsommer-Temperatur.
Wir düsen fast im Marathon-Tempo 
auf der breiten Asphaltstrasse der Helibasis der Air Glacier entgegen und geniessen diese letzten Augenblicke des Übermutes.

Auf dem schmalen Weg dem Campingplatz und der rauschenden Lütschine entlang finden wir dieses Jahr keinen Flow. Das Feld ist hier sehr dicht, man kann nur schwer überholen und eine Läuferin fällt direkt vor meinen Füssen der Länge nach hin.
Unbarmherzig scheint die Mittagssonne auf uns nieder, mein rechtes Grosszehen-Grundgelenk zwickt seit dem schnellen bergab Laufen, und ich freue mich auf die bevorstehende lange Gehpause!

Am Ende der Schlaufe durchs Lauterbrunnental decken wir uns in Ey erneut mit Wasser ein, denn ein paar hundert Meter weiter folgt die berüchtigte Rechtskurve, die zur "Wengener Wand" hoch führt. Abgesehen von der Eigergletscher-Moräne folgen jetzt die steilsten Kilometer.  Wir wechseln, wie die meisten Läufer um uns herum in einen strammen Bergwander-Schritt. 


Die Gespräche verstummen, während wir uns aufmachen, fast zwei Dutzend steile Serpentinen zu erklimmen. Still ist es jedoch keineswegs in der "Wand". Steine knirschen unter den Laufschuhen, wir Läufer atmen schwer, nur die Wengernalp-Bahn rattert dank Zahnrad scheinbar mühelos den Berg hinan. Wir kommen in den Genuss von viel Aufmunterung durch die Bahn fahrenden Fans. 


Und auch die jüngsten Helfer der Marathon Crew, welche unermüdlich mit kleinen Kälberglocken bimmeln, sind ein Riesen-Aufsteller. Dankbar rühmen wir sie für ihre Ausdauer. Sie schwenken ihre Glocken bestimmt schon eine Stunde lang und werden eine weitere durchhalten müssen!
Ablenkung bietet auch der atemberaubende Tiefblick ins Lauterbrunnental, den wir bereits nach wenigen Kletter-Minuten geniessen können. 


Damit  die unendlich langen Kilometer nicht zu lang erscheinen, gibt es nun alle 250 m eine Streckenmarkierung. 
Wir marschieren Kräfte sparend, nutzen die Gehpause zum Trinken und Salztabletten lutschen, und ich stelle erfreut fest, dass mein Puls kaum über 150 steigt. 
Als endlich das 27. Kilometerschild auftaucht, fragen wir uns doch, ob wir uns zu stark zum Bummeln haben verleiten lassen. Mit 14:11 Minuten schlägt dieser Kletter-Kilometer zu Buche. Doch wir haben dabei auch ganze 200 Höhenmeter überwunden! Und die halbe Laufzeit sollte nun geschafft sein.

Über uns thront ein Haus am Abgrund. Zuerst nur ganz leise, dann immer lauter ist wie jedes Jahr "The Wall" von Pink Floyd zu hören - "...all in all you're just another brick in the wall..." Obwohl die "Wand" sehr fordernd ist, geniessen wir es im Strom der mehreren tausend Läufer dabei zu sein. Zum Glück wissen wir aus Erfahrung, dass die "Wand" bald zu Ende sein wird, wenn man "The Wall" nicht mehr hören kann! 

Bald werden die Serpentinen flacher, wir können wieder ein paar Schritte joggen und machen beim nächsten Versorgungsposten einen kurzen Halt zum Erfrischen. Dann üben wir uns auf dem schmalen Feldweg nach Wengwald im Slalom Laufen. 


Andi findet leichter wieder in einen flüssigen Laufrhythmus zurück als ich. Nach einem kurzen Fotostopp tragen mich meine Beine jedoch gut hinunter zum äussersten Punkt auf der Sonnenterrasse von Wengen.   
Wir werden bestens umsorgt. Bevor es auf einer steilen Rampe zum berühmten, autofreien Ferienort Wengen hoch geht, können wir uns erneut abkühlen. 

Wir haben das Gefühl, es gemütlich zu nehmen und gehen deutlich mehr als in anderen Jahren. Hier hoch zu hetzten wäre auch zu schade. Die Aussicht ist einfach gewaltig! Und die eigene Leistung ist wohl an keiner Stelle deutlicher zu sehen als hier. Erst vor einer Stunde waren wir zur Schlaufe durchs Lauterbrunnental  aufgebrochen. Nun liegt es tief unter uns. Und wir schauen sogar bereits auf die Felswand hinuter, über die sich der Staubbachfall ergiesst.

Der Blick voraus ist noch atemberaubender. Die Jungfrau zeigt sich, der ewige Schnee auf dem Silberhorn gleisst in der Sonne, und darunter können wir unseren Weg zur Mettlenalp erahnen.
Ich darf nicht zu weit voraus denken. Es ist Mittag geworden, wir laufen nun direkt der Sonne entgegen, und ihre Kraft ist sehr deutlich zu spüren. Meine Kopfschmerzen sind noch nicht verschwunden, und ich freue mich über jeden flachen Meter und jedes Fleckchen Schatten. 


Auf dem folgenden Kilometer kommen wir in den Genuss von beidem. Im Schatten von Bäumen erreichen wir bei Kilometer 30 die Kirche von Wengen, dann können wir abwärts auf der geschmückten Hauptstrasse dem Trubel im mondänen Wengen entgegen rennen. Die Stimmung, die hier herrscht, kann es mit jedem Stadtmarathon aufnehmen. Hier spenden uns auch Touristen aus Fernost Applaus, während wir zwischen Restaurants, Hotels und Souvenirshops unter rotweissen Girlanden dem gelben Post-Bogen und einer weiteren Zeitmessmatte entgegen laufen. 
Seit 3:14:31 Stunden sind wir unterwegs, und es warten immer noch 1000 Höhenmeter auf uns. Andi hat noch genügend Energie, unsere Etappenzeit auszurechnen. Wir sind sehr überrascht, dass wir nur 47:02 Minuten für den Weg von Ey nach Wengen gebraucht haben. Seit dem Halbmarathon sind 1:11 Stunden vergangen, und unser Vorsprung auf die selber errechnete Marschtabelle ist auf dreieinhalb Minuten angewachsen.

Wir lassen die Zuschauermassen hinter uns und marschieren beim Hotel Regina die steile Rampe hoch. Unser Weg führt abwärts an einer kleinen Kirche vorbei und hinter der Männlichen-Seilbahn-Talstation hindurch. Wir verlieren ein paar der mühsam erarbeiteten Höhenmeter, können aber so mit Schwung zu der Schlaufe durch Wengen ausholen. Früh genug geht es wieder bergan, und der Jubel, die Meldungen des Speakers und die Musikklänge verebben langsam. 


An der Steigung zum Hotel Beausite hoch entdecken wir den treuen Jungfrau Marathon Fan Felix. Er unterstützt hier seine vielen Bekannten mit verdünntem, geschüttelten Cola und hat so meine allererste Teilnahme gerettet. Heute vertraue ich lieber auf meine Winforce Ultra Energy Gels, doch Andi nimmt gerne einen Schluck des koffeinhaltigen Getränks.


Locker joggen wir beim Schwimmbad vorbei, nehmen unter der Bahnlinie hindurch Anlauf und wechseln auf der Etappe zur Allmend hoch zum Power-Wandern, bevor wir die letzten Häuser Wengens passiert haben. Die Kühe lassen sich vom bunten Umzug nicht beim Wiederkäuen stören.
Genau die Hälfte der Höhenmeter liegen jetzt noch vor uns, und wir nehmen uns zum x-ten Mal vor, es nun noch etwas gemütlicher zu nehmen! Das Pace-Band an meinem Handgelenk soll ja nur eine Unterstützung sein, den Lauf regelmässig einzuteilen. Unsere heutige Erlebnis-Lauf-Traum-Finisher-Zeit von 5:17:55 müssen und sollen wir ja nicht noch minutenweise unterbieten!



Obwohl mein Puls wunschgemäss 150 immer noch nicht übersteigt, ist der Marsch die steile, unendlich scheinende Rampe zur Allmend hoch und direkt der Sonne entgegen kein Spaziergang! Die knapp drei Kilometer lange Etappe will nicht enden.
Wir sind dankbar für jede noch so kleine Ablenkung. Ich nehme eine Dusche unter einem Gartenschlauch, wir freuen uns über das begeisterte Zug-Publikum und geniessen die Aussicht. Ein Blick zurück bestätigt, dass wir toll vorwärts kommen und rasch an Höhe gewinnen, obwohl wir das Gefühl haben, schneckenmässig langsam zu sein. Wengen liegt schon weit zurück. 


Schliesslich lassen wir uns von den schrägen Guggenmusik-Tönen die letzten Meter zur Allmend hochziehen.
Unser  Zeitvorsprung ist seit Wengen um eine gute Minute geschrumpft.


Jetzt folgt, abgesehen von der spektakulären Moränen-Etappe, meine Lieblings-Bergstrecke. Bis zur Wengernalp gibt  es auf knapp fünf Kilometern 340 Höhenmeter zu bewältigen. Diese Steigung liegt meinem Motor, der flache Marathons bevorzugt. 



Der breite, steinige Fahrweg verläuft in sanften Wellen bergan und ist an einigen Stellen beinahe flach. Marschieren und Laufen wechseln sich ab, manchmal können wir sogar recht zügig rennen. Und es gibt reichlich Schatten auf diesem Abschnitt!



Publikum hat es kaum mehr, die WAB-Bahnstationen sind wohl zu weit entfernt. So geniessen wir die Stille und das Rauschen von kleinen Bächen. Das Schweigen der Läufer wirkt jedoch fast ein bisschen bedrückend. Konzentriert sind die Blicke auf die staubigen Schuhe gerichtet. Man könnte fast meinen, ein Trauerzug sei unterwegs. Dabei gäbe es so viel Schönes zu sehen. 
Wir kommen den Berg-Giganten immer näher, nach rechts öffnet sich der Blick bis nach Mürren und zum Schilthorn, und über uns wölbt sich der weite, wolkenlose, stahlblaue Himmel. Was für ein weltmeisterlich schöner Tag. Unsere schönen Berge in diesem Licht zu sehen muss ein gewaltiges Erlebnis sein für die aus 70 Ländern angereisten Teilnehmer!


Jetzt befinden wir uns ziemlich genau oberhalb der  Wendeschlaufe, die wir vor 100 Minuten in der Tiefe des Lauterbrunnentales gelaufen waren. Es ist ein Uhr, seit vier Stunden sind wir unterwegs, und Andi erinnert sich daran, dass er im Alltag bis um diese Zeit bereits mindestens vier Kaffees getrunken hat. Er gönnt sich ein Sponser-Blackberry-Coffein-Gel und wird sofort wieder gesprächiger.

Ich habe erst die Hälfte meiner drei Winforce-Gels verbraucht und wage weiterhin nur kleine Portionen davon zu mir zu nehmen. Dass die Übelkeit zurückkehrt, will ich auf keinen Fall riskieren. Ich achte aber weiterhin auf reichliches Trinken.

Kleine Kinderhände reichen uns bei Kilometer 36 fleissig Wasserbecher. Wir füllen unsere Vorräte, bevor wir uns joggend aufmachen, einen der erhebendsten und beeindruckendsten Momente auf dem Weg zur Kleinen Scheidegg zu erleben.




Auf der Mettlenalp laufen wir aus dem Wald hinaus und sehen die Eisriesen Eiger, Mönch und Jungfrau direkt vor uns. Und unterhalb des Eigergletschers sind winzige bunte Ameisen zu erkennen, die im Zickzack vor der Loucherflue den Hang hoch streben. Nur noch zwei Kilometer, und wir werden es ihnen gleichtun!

Eine Kehre noch und ein Blick zurück nach Mürren, wir tauchen unsere Mützen und den Schwamm unbeirrt ins trübe Wasser eins Holz-Brunnentroges, der als Viehtränke dient, und freuen uns darüber, dass es wieder mehr Publikum hat. Auf den letzten hundert Metern zur Wengernalp hoch werden wir immer häufiger direkt beim Namen genannt und persönlich motiviert.


Kurz vor dem Kontrollpunkt und der Bergab-Strecke zur Skilift-Talstation Wixi stehen die Zuschauer gar wieder Spalier. 1:11:42 Stunden sind vergangen, seit wir durch Wengen gelaufen sind, und wir sind unserem Plan immer noch eine Minute voraus.

Wir fragen uns, auf welchen Weg zur Moräne wir unten wohl geschickt werden. Momentan laufen die Läufer nach rechts auf die Originalstrecke. Wir überschreiten die Kuppe und können es ein paar Augenblicke rollen lassen. Meine Beine haben keine Mühe auf abwärts Rennen umzustellen. Andi nimmt es etwas ruhiger. Unten wendet sich das Blatt jedoch sofort.


Direkt vor uns wird die Originalroute gesperrt, und wir werden links herum auf die Entlastungs-Strecke geschickt. Ich finde den optimalen Tritt auf dem schräg abfallenden Grasweg nur schwer. Da wir zu den Ersten gehören, die nach einer Pause diesen Weg beschreiten, ist dieser frei. Wir können ungehindert in unserem Tempo hochwandern. Doch Andis Tempo ist nicht mehr mein Tempo. Ich muss mir richtig Mühe geben, für die nachfolgenden Läufer nicht zum Hindernis zu werden!

Andi erlebt die Alternativ-Strecke zum ersten Mal. Ich hatte bereits 2009 damit Bekanntschaft geschlossen. Doch damals war es direkt nach einer Gewitternacht sehr schwierig gewesen auf der Graspiste voranzukommen.
Diese Variante beginnt sanfter als der Bergweg rechts herum. Die grosse Schlaufe, die es nach links zu absolvieren gilt, ist zuerst verborgen. Und am Schluss geht es stark ansteigend zur Haaregg hoch, während die Läufer rechts über uns abwärts dem Verpflegungsposten, den Fahnenschwingern und Alphornbläsern entgegen traben können.

Weil dieser Weg (fast) unbekannt ist, ist beinahe jeder Schritt ein Abenteuer und die Alternativ-Schlaufe kurzweilig. Schliesslich dürfen wir auch in die urschweizerische Atmosphäre auf der Haaregg eintauchen.  

Diesmal empfinde ich das Einspuren auf den schmalen Trail ganz anders als bei den bisherigen Teilnahmen. Da wurde ich am Fuss der Loucherflue immer gebremst und konnte, da Überholen fast unmöglich ist, locker hochsteigend einfach mit dem Strom mitschwimmen. 

Doch diesmal krabbelt die bunte Ameisenstrasse sehr flink den Grashang hoch. So gut es geht drücke ich mich an den Rand des schmalen Weges und lasse immer wieder Läufer überholen. 
Bald steigt Andi 10, 20 Meter vor mir den Berg hinan. Obwohl ich immer noch nur mit einer Herzfrequenz von 150 unterwegs bin, kann ich kaum mehr beschleunigen. Ich habe zwar nicht die geringste Spur von Krämpfen. Doch meine Energie-Speicher laufen langsam leer. Mir geht die Kraft in den Beinen aus, und ich habe das Gefühl kaum mehr voranzukommen. 

Sogar hier im total unwegsamen Gelände wird uns eine Trinkstelle geboten. Andi nimmt sich Zeit einen Becher Wasser zu geniessen. Und ich kann wieder aufholen.

Zusammen biegen wir auf die berühmt berüchtigte Moräne ein. Andi reicht mir die Hand, und mit etwas Unterstützung komme ich wieder besser voran.



Ein Heli steigt aus dem Tal empor und fliegt in nächster Nähe der Moräne entlang. Als er abdreht ist der Dudelsack-Spieler zu hören. Bald werden wir die Moräne bewältigt haben. Eigentlich ist dieser eindrückliche Abschnitt immer viel zu schnell vorbei. Man wünscht sich bald zur Loucherflue abbiegen zu können und möchte doch gleichzeitig noch lange aus nächster Nähe die Bergriesen bewundern.
Zweimal schaue ich auf meine Uhr, als wir oben angekommen unsere Zwischenzeit stoppen.
5:05:17 Stunden sind wir unterwegs. Und bis zum Ziel brauchten wir erfahrungsgemäss nur zehn Minuten. Wow - wir haben die Moräne viel schneller bewältigt als ich gedacht hatte!






Es tut dennoch gut zu wissen, dass wir in nur drei Minuten den höchsten Punkt erreichen werden. Die ersten Schritte von der Moräne runter geht es bergab. Wir laufen vorsichtig los, dann queren wir den Hang joggend und bewältigen die letzten Höhenmeter fast ein bisschen euphorisch.
Grosszügig werden wir mit Lob für unsere Grosstaten überhäuft. Helfer strecken uns Schachteln mit Schokoladen-Stückchen entgegen. Und viele starke Hände sind bereit uns zu stützen, als wir die Felsen-Treppen-Stufen auf der Loucherflue überwinden.


Kleine Scheidegg wir kommen! 
Wir vereinbaren, uns nicht blindlings und ungebremst dem Ziel entgegen zu stürzen. Kontrolliert rennen wir am 41 Kilometer Schild vorbei und dem türkisblauen Speichersee entgegen. 
Dann gibt es doch kein Halten mehr. Das Zuschauerspalier wird eng und enger. Der Zielbogen zieht uns magisch an, und wir fliegen mehr als dass wir rennen, während wir glücklich  die Ziellinie überqueren.



Wir strahlen wie Sieger, als uns die Helfer im Ziel gratulieren und uns die wunderschöne Finsiher-Medaille um den Hals hängen. Schlichtweg nicht in Worte zu fassen ist das Glück, die Freude, Erleichterung und Dankbarkeit über dieses wunderschöne Lauferlebnis! Was für ein Lauf, was für ein einmalig schöner Tag! Wir könnten die ganze Welt umarmen!


Während wir am Rugenbräu Stand anstehen, um mit einem Becher alkoholfreiem Bier anstossen zu können, freuen wir uns, dass unser Marschplan so gut aufgegangen ist. Wir werfen nur einen kurzen Blick auf unsere Uhren. 
Mit lediglich 146 Durchschnittspuls (Andi 145) haben wir diesen Longrun-Berg-Marathon bewältigt! Und es wird uns klar, weshalb er sich anstrengender angefühlt hat, als unser letztjähriger Erlebnis-Jungfrau-Marathon. Mit einer Laufzeit von 5:15:40 sind wir dieses Jahr fast sechs Minuten früher ins Ziel gekommen, und ich war dabei nur 12 Minuten langsamer als bei meinem PB-Lauf 2008...

Genug gerechnet! Jetzt wollen wir die fröhliche Atmosphäre im Ziel ausgiebig auf uns wirken lassen und die Zeit ein bisschen anhalten. Wir legen uns eine Weile ins Gras, nippen am kühlen Bier, versuchen uns an den eindrücklichen Bergen satt zu sehen, beobachten wie unsere Mitläufer glücklich im Ziel ankommen und hören, dass der Speaker einen blinden Finisher aus den Niederlanden interviewt. 
In perfektem Deutsch dankt der Blinde für die grosse Rücksicht, die die Sehenden ihm entgegengebracht hätten, und er schwärmt von der einzigartigen Atmosphäre an diesem Lauf. Da wir heute besonders darauf geachtet hatten, wie der Jungfrau Marathon "tönt", können wir uns gut vorstellen was er meint. Unvorstellbar ist jedoch, wie er ohne Sehkraft die steilen Bergwege sicher und kaum langsamer als wir bewältigen konnte. Und ich hoffe, dass er die atemberaubende Schönheit der Bergwelt als Lohn für seine Mühe spüren kann!


Als wir uns zum Abholen unseres Gepäcks aufmachen, haben sich die Beine schon sehr gut erholt. Unter der warmen Dusche befreien wir unsere Knöchel und Waden von einer dicken, grauen Staubschicht und waschen die Salzkrusten vom Gesicht.

Wir treffen uns mit Beat beim Tipi, stärken uns mit einer Riesenportion Rösti und stossen mit einem weiteren Erdinger an.
Ein fröhlicher Grillabend mit dem run4fun Marathon-Team rundet diesen Traum-Tag ab. Merci Beat und Silvia für eure Gastfreundschaft!

Am Sonntag früh starten wir zu einem weiteren Marathon. Nein wir laufen kein Double! 
Wir absolvieren einen Bahnreise-, Foto- und Anfeuer-Marathon, dürfen an Hugos Freude an seinem Erlebnis-Jungfrau-Marathon teilhaben und erleben Andreas starke Berg-Marathon-Premiere mit. 
Und wir feuern Jeannine und Patrick in Wilderswil, Lauterbrunnen, Wengen und auf der Wengernalp an. Die beiden schnüren die Marathon-Schuhe tatsächlich zweimal. Es ist eindrücklich zu beobachten, wie sie von Etappe zu Etappe aufdrehen und dabei immer frischer wirken. Wir können kaum schnell genug von der Wengernalp auf die Kleine Scheidegg wandern, um den glücklichen Doppel-Double-Finishern im Ziel zu gratulieren. Beide absolvieren den zweiten Marathon schneller als den ersten und sind dabei schneller unterwegs als wir gestern...


Es ist schwierig zu sagen, was schöner ist, die Freude an der eigenen Leistung oder das Mitfreuen an den Erfolgen unserer Freunde. Dieses einmalige Wochenende wird auf alle Fälle unvergesslich bleiben!!!    

Jungfrau Marathon 
42.195 km + 1829 hm 
5:15:40 / 7:28 Min/km / Puls 146
14 bis ca. 22° strahlend sonnig
Track http://connect.garmin.com/activity/220312321